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Archiv-Artikel

Halbzeit ohne Lösung

Wer bekommt Gewinne aus Nutzung genetischer Ressourcen? Verhandlungen in Bonn gestalten sich zäh

BERLIN taz ■ Die internationalen Gespräche in Bonn über die Verteilung von Gewinnen etwa aus der Herstellung von Medikamenten auf Basis von Heilpflanzen stocken. Die Frage, ob die geplanten Regeln rechtlich verbindlich sein sollten, bleibe auch nach rund einer Woche Verhandlungen offen, sagte der stellvertretende Konferenzpräsident Jochen Flasbarth vom Bundesumweltministerium am Montag. Umweltschützer warnten, dass die Gespräche zu scheitern drohen.

Das Thema steht auf der Tagesordnung der UN-Konferenz über die biologische Vielfalt. Etwa 190 Länder verhandeln dort darüber, welche Punkte ein Beschluss zum sogenannten Vorteilsausgleich für die Nutzung genetischer Ressourcen enthalten soll. Ziel der deutschen Konferenzpräsidentschaft ist ein Zeitplan, um bis zum nächsten Treffen im Jahr 2010 einen verabschiedungsreifen Text zu entwerfen. Er soll vor allem zwei Fragen beantworten: Was erhält beispielsweise ein Entwicklungsland, wenn seine Pflanzen oder Tiere von einem Industriestaat wirtschaftlich genutzt werden? Unter welchen Bedingungen haben Länder Zugang zum Artenreichtum anderer Staaten?

Geeinigt hätten sich die Delegierten in Bonn lediglich darauf, Standardverträge für verschiedene Nutzer – Forscher oder Unternehmen – festzulegen, berichtete Flasbarth. Auch über einen Herkunftsnachweis genetischer Ressourcen wolle man bei den Verhandlungen reden. „Aber alle haben sich offengehalten, das wieder zurückzuziehen, wenn man sich nicht auch noch in der Substanz annähert.“ Und da hapert es immer noch. Besonders artenreiche Länder wie Brasilien, Indien oder Malaysia wollen, dass sich die Mitgliedsstaaten an die angestrebten Regeln halten müssen. Industrieländer wie Kanada und Japan setzen dagegen auf Freiwilligkeit.

Deshalb sind sie für François Meienberg von der entwicklungspolitischen Organisation Erklärung von Bern „die großen Bremser“. „Wir brauchen ein rechtlich verbindliches Protokoll, um Biopiraterie zu verhindern. Freiwillige Richtlinien haben wir ja schon, und es hat nichts genutzt.“ Tatsächlich klagen beispielsweise Südafrikaner, eine deutsche Pharmafirma habe trotz der 2002 in Bonn beschlossenen Leitlinien ihr Wissen über die Nutzung einer Heilpflanze gestohlen. Der Aktivist hält es für einen Fortschritt, dass die Konferenzteilnehmer gleich drei Arbeitsgruppen eingerichtet haben, um die Einzelheiten des anvisierten Dokuments auszuhandeln. „Aber in der Essenz ist nicht viel passiert.“

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) erwartet nun auch „keine akzeptablen Ergebnisse“ mehr. BUND-Chef Hubert Weiger setzt deshalb auf Bundeskanzlerin Angela Merkel: Sie wird am Mittwoch bei der Konferenz in Bonn sein, die am Freitag endet. Ebenso wird Kanadas Ministerpräsident Stephen Harper erwartet. Die hochrangige Besetzung lässt auch Meienberg hoffen: „Ich bin zuversichtlich, dass es auf der Regierungschefs- und Ministerebene gehen wird.“ JOST MAURIN