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Archiv-Artikel

Radio Multikulti verstummt

betr.: Schließung von Radio Multikulti

Es ist für mich recht ungewohnt, von meinem Radio zu erfahren, dass es abgeschafft wird, wenngleich wir in Berlin die Gabe haben, unsere Denkmale selbst zu zerstören. Kaum hat sich das Radio Multikulti etabliert, da muss es wieder verschwinden. Dieser Schachzug der Politik und der Schreibtischtäter, ausgerechnet das Radio der Vielfalt auszuradieren, könnte auch die Frage aufwerfen, die uns ständig beschäftigt: Ist die Beziehung zwischen der hiesigen Politik und den ausländischen Mitbürgern noch in Takt? Oder werden die Deutschen mit Migrationshintergrund wieder zu Kanaken. Ist die Frage nach Integration noch aktuell? Oder ist die sogenannte Integration eine Lüge?

Früher einmal haben manche Parteien das kommunale Wahlrecht für die Ausländer gefordert, heute sollen sich dieselben Ausländer integrieren ohne jegliches Recht auf Kultur. Vor 14 Jahren hieß es: „Es lebe die Vielfalt und es lebe die Multikultigesellschaft“, und heute ist derselbe Begriff zu einem Schimpfwort geworden.

Die Stimme, die dazu aufruft, das Modell des Zusammenlebens zu entwickeln, soll ab dem 1. Januar 2009 stumm bleiben. Die Herausforderung, die hiesige Gesellschaft zu einem effizienteren und harmonischeren Zusammenleben zu bewegen, soll sterben. Nur das schlechte Gewissen wird demjenigen bleiben, der diese bizarre Entscheidung getroffen hat, mein Lieblingsradio abzuschaffen.

Natürlich habe ich auch in diesem Fall meinen Heiligen in Afrika konsultiert. Er wollte denjenigen sofort mit einem Fluch belegen. Aber im Rahmen meiner zivilisierten Haltung habe ich ihn gebremst. Und zwar mit der Behauptung, dass Politiker auch nur Menschen sind, die ab und zu mal Ärger und andere Emotionen zum Ausdruck bringen.

Dieses Mal trifft es nicht nur die 30.000, die in Berlin täglich Radio Multikulti hören, sondern auch die, die in Manila, Toulouse, Portland, Schweden, London, Kabul und Bagdad per Satellit oder Internet zuhören, und ich könnte diese Liste fortsetzen, aber keine Zeitung würde da mitmachen wollen. NOUREDDINE BEN REDJEB, Berlin