Stade klagt gegen die Schlickfalle

Sorge um Deichsicherheit und Obstbau: Das große Baggerloch bei Wedel hätte auf seine Umweltverträglichkeit geprüft werden müssen, findet der Stader Landrat. Stattdessen seien Anlieger vor vollendete Tatsachen gestellt worden

VON GERNOT KNÖDLER

Im Streit um die Elbvertiefung wird der Ton rauer. Der parteilose Landrat des Kreises Stade, Michael Roesberg, hat damit gedroht, gegen die in Bau befindliche Sedimentfalle in der Elbe zu klagen. „Für mich steht heute fest, dass die Schlickfalle nicht ohne ein Planfeststellungsverfahren gebaut werden dürfte“, sagt er. „Mir kommt es darauf an festzustellen, dass nicht einfach in der Elbe rumgebuddelt werden kann.“ Am 16. Juni soll der Kreisausschuss über die Vorlage beraten.

Worum geht es? Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) und die Hamburger Hafenbehörde (HPA) lassen vor Wedel ein zwei Kilometer langes und zwei Meter tiefes Loch in die Fahrrinne buddeln. Es soll Schwebstoffe auf dem Weg in den Hafen abfangen, und das schon ab Ende Juni.

Mit dieser Schlickfalle reagieren die Behörden darauf, dass sich die Sedimentmengen seit der jüngsten Elbvertiefung 1999 vervierfacht haben. Funktioniert das Konzept, wird sich das Loch allmählich füllen. Statt ständig im Hamburger Hafen zu baggern, müsste das in größeren Abständen vor Wedel geschehen. Dieses Baggergut wäre auch leichter zu entsorgen, weil es nicht mit giftigem Sediment vom Elbe-Oberlauf vermischt wäre.

Landrat Roesberg ärgert sich darüber, dass der Kreis bei dem Projekt vor vollendete Tatsachen gestellt wurde: Zum ersten Mal habe er am 1. April aus der Zeitung von dem Vorhaben erfahren. Offiziell sei er am 30. April informiert worden. Dabei habe die schleswig-holsteinische Landesregierung das Projekt Ende April binnen zwei Tagen genehmigt. „Es müssen schon lange Vorgespräche geführt worden sein“, folgert Roesberg.

Dörte Hansen von der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord (WSD) in Kiel kann sich das nur damit erklären, dass Informationen nicht weitergegeben wurden. Es habe eine Besprechung mit Vertretern aller Anrainer-Länder gegeben. „In Niedersachsen hat es da offenbar Reibungsverluste gegeben“, vermutet sie.

Rechtlich dreht sich der Streit darum, ob es sich bei dem Sedimentfang um die Unterhaltung oder einen Ausbau der Elbfahrrinne handelt. WSV und HPA deklarierten ihn als Teil der laufenden Fahrrinnenpflege. Ein Planfeststellungsverfahren samt Umweltverträglichkeitsprüfung war damit nicht nötig.

Nach Ansicht Roesbergs geht die Maßnahme weit über Unterhaltungsarbeiten hinaus. Schließlich werde die Fahrrinne hier über eine weite Strecke durchgehend vertieft, während beim normalen Fahrrinenausbau nur die Untiefen geschleift würden. Ein Planfeststellungsverfahren wäre aus seiner Sicht angemessen gewesen. „Dann hätte man die Bedenken der Nachbarn einbeziehen können“, sagt er. Den Wasserbauern wirft er vor, extra so geplant zu haben, dass niedersächsisches und Stader Gebiet nicht berührt wird: Das erschwere es dem Landkreis, zu klagen.

Inhaltlich befürchtet Roesberg, dass sich die Sicherheit der Deiche leiden könnte. Auch könnte die Schlickfalle dazu beitragen, dass die Brackwasserzone weiter Richtung Hamburg wandert. Den Obstbauern im Alten Land drohe ein Versalzen ihrer Anbauflächen.

Nach dem jüngsten Beweissicherungsbericht (2006), mit dem die WSV die Folgen der 1999er Elbvertiefung dokumentiert, hat sich die Brackwasserzone bisher aber nicht verschoben. Die Wasserbauern hatten vorab eine Verlagerung um 500 Meter flussaufwärts prognostiziert. Dies konnte nicht belegt werden.

Die Schlickfalle liegt an einer Stelle, an der die Elbe ohnehin langsam ströme und wo schon heute sehr viel gebaggert werde, sagt Dörte Hansen. Mit der Schlickfalle werde die Baggerei auf wenige Gelegenheiten konzentriert. So ähnlich sehen das auch die Gutachter des Kieler Instituts für Landschaftsökologie, das im Auftrag der HPA untersuchte, ob prioritäre Arten und Lebensräume aus der FFH-Richtlinie der EU gefährdet werden könnten.

Mit einer relevanten Verschlechterung des Sauerstoffhaushalts sei nicht zu rechnen, schätzen die Gutachter. Es bestehe „ein sehr geringes Restrisiko, dass einzelne Finten, Rapfen, Meerneunaugen, Flussneunaugen, Nordseeschnäpel und Maifische bei der Herstellung und Unterhaltung des Sedimentfangs getötet werden“. Ein relevantes Risiko für die benachbarten EU-Naturschutzgebiete sei nicht zu erkennen. Die Vereinbarkeit mit dem EU-Naturschutz ließ die HPA laut Hansen prüfen, weil hier die rechtliche Lage unklar gewesen sei.