: Breitscheidplatz
Maiglöckchen für 1,50
So mancher hat es sich zu gut gehen lassen, Fett hängt und quillt und wölbt sich über den Hosenbund. Frauen färben strohblond, um ein paar Jahre zu gewinnen. Strohblond ist eine favorisierte Farbe auf dem Breitscheidplatz, denn gerade die Älteren unter den Touristen erinnern sich an Berlin-West.
Ein Herr ist umständlich mit einem Stativ beschäftigt, als er die Gedächtniskirche fotografieren will. Wahnsinnig kompliziert macht er das. Seine Frau wartet. Ein bildschöner Hund, schneeweiß und gepflegt, hinkt durchs Bild. Ein anderer Mann trägt stolz ein Baby. Eine Frau schleppt den Kinderwagen die Treppen hinunter. Der Mann ist so beschäftigt, dass er nicht bemerkt, wie ihm seine Frau abhanden kommt.
Am Brunnen hängen Punks herum im Pulk mit schwarzen Hunden, ausgerüstet mit viel Bier. Sie werden von Touristen beäugt wie eine Attraktion.
Viel Currywurst und Pommes, Trash, Ramsch, Kitsch und Souvenirs. Rund um die Gedächtniskirche kann man dies an mobilen Ständen kaufen. Fliegende Händler bieten Maiglöckchen für 1,50 Euro pro Strauß. Das Flair des reichen Westens, der lange im KaDeWe sein östlichstes Schaufenster hatte, ist im alten Zentrum Restberlins auch noch präsent. Der bandagierte Hund humpelt erneut vorbei, diesmal geführt von einer erlesen gekleideten Dame.
Bei der Arbeit sind Inder, sie servieren im Café am Brunnen. Ein Italiener steht hinter einer Eistheke und drei junge Roma-Frauen cruisen über den Platz, um hier und da ein paar Euros zu kassieren. Und der Mann mit dem verfilzten Haar und der dreckigen Felljacke, der offenbar alle Kleidungsstücke, die er besitzt, am Körper trägt, kontrolliert in regelmäßigen Abständen die Papierkörbe. GUNDA SCHWANTJE