Choreografierte Brieffreundschaften

Die Kunsthalle voller Jugend: „express yourself“ mit Beteiligten aus verschiedenen Stadtteilen macht’s möglich

Klassische Gemäldesammlungen sind für Menschen im schulpflichtigen Alter normalerweise ungefähr so interessant wie der Anhang zum Prüfbericht des Landesrechnungshofes vom vorletzten Jahr. Und so war es keine schlechte Entscheidung von Kunsthallendirektor Wulf Herzogenrath, sich am Samstagnachmittag das „express yourself“-Projekt ins Haus zu holen. 180 Jugendliche „aus den unterschiedlichen Szenen“ kamen, um, so die Veranstalter, „ihr eigenes Streben nach künstlerischem Ausdruck mit Schätzen der Kunsthalle Bremen zu konfrontieren.“

Unter dem von verschiedenen Jugendeinrichtungen getragenen „express yourself“-Label sortierten sich so unterschiedliche Dinge ein wie eine mobile Galerie des Punk-Projektes des Vereins für Akzeptierende Jugendarbeit oder Gesangsdarbietungen des Viertel-Chores im Oval der Kunsthalle. Eine Videoinstallation widmete sich der Frage: „Was wäre wenn es die Buchte nicht gäbe“ – gemeint war das von Kürzungen betroffene Jugendzentrum in der Buchtstraße. Im Vorraum warb das „Viertelparlament“ bei den Jugendlichen, politisch im eigenen Stadtteil seine Interessen zu verfolgen. Nebenan stellte das BDP-Mädchenkulturhaus Arbeiten seines „Stencil“-Projekts vor, holzschnittartige Streetart-Kunstwerken aus selbst gebauten Schablonen. Den Sinn des am häufigsten wiederkehrenden Motivs, einem Schriftzug mit den Worten „wer bin ich?“, erläuterte eine der Beteiligten damit,dass man junge Mädchen dazu ermuntern wolle, „in den Spiegel zu schauen.“

Eine halbe Etage weiter oben, im Dachgeschoss, mussten keine Wände, sondern Körper als Projektionsfläche für die jungen KünstlerInnen herhalten. Vier junge StipendiatInnen des „empower your dreams“-Projekts der Tanzschule corpa illustrierten die Bemühungen der Leiterin Christine Witte „Jugendlichen durch Tanz neue Wege zu zeigen, sich auszudrücken“. Nicht ganz so professionell, aber nicht minder enthusiastisch zeigten danach Schülerinnen des Gymnasium Horn-Lehe ihr Stück „à la Carte“, in dem sie die Höhen und Tiefen von Brieffreundschaften choreografierten.

Die einzige Klammer der Aufführungen und Exponate war das Alter der Urheber – und eben das war Programm. „Jugendkulturen sind ein Reichtum unserer Stadt,“ schrieben die Veranstalter, die jedoch oft „die Außenwelt als feindlich, zumindest desinteressiert empfinden“. Diese Ausdrucksformen „nach außen hin sichtbar zu machen ohne sie zu kolonialisieren“ hatten sie sich daher mit dem Gastspiel in der Kunsthalle vorgenommen.

Christian Jakob