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Archiv-Artikel

„Der Beste, den konkret je gehabt hat“

Als „Leslie Meier“ schlachtete der am Sonntag verstorbene Peter Rühmkorf die betuliche Nachkriegs-Dichtung in seinem „Lyrik-Schlachthof“. Den hatte ihm die Zeitschrift „konkret“ eingerichtet. Später folgten Querelen über DDR-Finanzspritzen. Ein streitbarer Rückblick des Mitbegründers Klaus Hübotter

KLAUS HÜBOTTER, 78, Bremer Bauunternehmer; in den 50ern KPD-Mitglied und als „Rädelsführer einer verfassungsfeindlichen Vereinigung“ zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt.

von FRIEDERIKE GRÄFF

taz: Was war Ihr erster Eindruck von Peter Rühmkorf, Herr Hübotter?

Klaus Hübotter: Ich habe auch noch eine Frage: Was haben Sie für eine Faxnummer?

Was möchten Sie uns schicken?

Einen Satz unseres gemeinsamen Freundes, des Schriftstellers Kurt Hiller. Und zwei Spottgedichte über Peter Rühmkorf aus den 50er Jahren.

Was hat Kurt Hiller denn gesagt?

„Über alles die Wahrheit. Falsche Pietät ist ärger als überhaupt keine.“ Wenn heute Horst Köhler den Schriftsteller Peter Rühmkorf über den grünen Klee lobt, ist das ein Witz. Das ist so, als würde Helmut Kohl eine Laudatio auf Brecht halten.

Hatten Sie und Rühmkorf nach den Streitigkeiten um die Zeitschrift konkret in den 70ern denn wieder Kontakt?

Ich habe ihn zweimal intensiv erlebt: Bei der Gründung von konkret 1955 und bei der Wieder-Übernahme durch mich 1973, da haben wir uns wieder gesehen – geachtet und gehasst.

Also zurück zu 1955: Wie war Ihr erster Eindruck von Rühmkorf?

Der Vorläufer von konkret, der Studentenkurier ist damals formell von einem Arbeitskreis schreibender Studenten herausgegeben worden. Tatsächlich ist er aber von der FDJ, das heißt in diesem Fall: von mir, gegründet worden. Ich brauchte Stroh-, wie nennt man das …

Strohköpfe haben Sie in einem Interview gesagt …

Nein, Strohköpfe ist nicht richtig, ich brauchte Strohmänner, die ihren Namen hergaben, weil ich es nicht machen konnte, da ich wegen meiner Tätigkeit für die FDJ, das war die Jugendorganisation der Deutschen Kommunisten, unter Polizeikuratel stand. Ich habe Klaus Rainer Röhl und Peter Rühmkorf als besonders intelligente Strohmänner kennen gelernt, wobei der politisch-organisatorisch intelligentere Röhl war. Während Rühmkorf der viel begabtere Schriftsteller war. Ein stilistisch hervorragender und überaus kenntnisreicher Schreiber. Er war der beste, den konkret je gehabt hat.

Er hatte eine eigene Lyrik-Kolumne mit dem schönen Namen „Leslie Meiers Lyrik-Schlachthof“.

Ja. Die hat er gehabt und er hat viele solcher Kolumnen gehabt. Das mieseste, was er je gemacht hat, kam später einmal, weil er leider so eng befreundet war mit Röhl, der, als er 1973 bei konkret rausflog, dieses widerliche Porno-Blatt das da gründete. Und das Erste, was er machte, waren zwei Seiten Lyrik von Peter Rühmkorf, das war schon schauerlich. Von diesem Röhl hat er sich führen und verführen lassen und das war der Grund, warum ich mit ihm nie in ein ungezwungenes Verhältnis gekommen bin, dazwischen stand immer Röhl. Der ist später zum rechten Renegaten geworden und dann hat sich Rühmkorf, der ja ein Linker blieb, wohl von ihm distanziert.

Wie war bei konkret

Dieser Name stammt übrigens auch von Peter Rühmkorf. Dabei hat es nie eine Zeitschrift gegeben, die weniger konkret wäre. Von ihm stammte auch die Idee, die Zeitschrift mit nackten Mädchen einzuwickeln.

Wie waren Sie eigentlich ursprünglich auf Röhl und Rühmkorf als Strohredakteure gekommen?

Sie schrieben halblinke Geschichten und Gedichte und wollten nichts lieber, als endlich in einer richtigen Zeitschrift zu schreiben.

Wie hat Rühmkorf denn in diese sehr linke Redaktion gepasst?

Hervorragend hat er hineingepasst. Denn er war immer links, wobei ich nicht weiß, wo er in den letzten Jahrzehnten stand, vielleicht linksliberal. Damals, als wir 25 waren, war ich linksradikal und er war links, wie soll man sagen, ein Linker zwischen den Stühlen. Ein heimatloser Linker.

Wie konnte er sich denn als Lyriker in der Redaktion halten? Galt das Genre nicht als viel zu bürgerlich?

Aber Lyrik ist doch keine bürgerliche Angelegenheit. Brecht ist doch kein bürgerlicher Dichter. Und konkret war ja kein linkes Kampfblatt, sondern sollte sich an alles links von Adenauer wenden.

Ihre Strohmänner haben sich schließlich sehr eigenständig benommen.

Sie haben sich schließlich 1964 frei gemacht vom Kuratel der DDR. Wobei konkret von Anfang an kein Blatt war, das auf der DDR-Linie herumtanzte.

Wie muss man sich denn die Redaktionskonferenzen vorstellen?

Die eigentlichen Sitzungen fanden zwischen Röhl und mir auf einer Elbinsel statt. Da sind wir hingerudert und haben die redaktionelle Arbeit gemacht. Im Lichte der Öffentlichkeit stand Röhl und ich habe die Dinge unauffällig gelenkt.

Und welche Rolle hatte Rühmkorf, der später schrieb, er habe von den Finanzhilfen der DDR nichts gewusst?

Wir haben überlegt: Worüber kann Lüngi, das war sein Spitzname, schreiben? Und er konnte über alles schreiben. Ich kann mich nicht erinnern, ein einziges Manuskript von ihm zensiert zu haben.

Jetzt ist das Fax angekommen. Sie haben ein ziemlich kritisches Gedicht zu den angeblich von Rühmkorf protegierten Nacktbildern bei konkret geschickt und ein eher freundliches über ihn.

Dann nehmen Sie doch das freundliche.

„Du bist ja gar nicht negativ,/ Du bist ja gar kein richtiger Snob,/ Du Schalk, Du stapelst ja bloß tief“, heißt es da. Er muss Sie schon fasziniert haben.

Ich habe ihn immer als hervorragenden Stilisten erkannt und anerkannt.