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Archiv-Artikel

Gegen den einen machtlos

Nach der 1:3-Niederlage gegen Cristiano Ronaldo und Co. ist der Teamgeist der Tschechen ungebrochen. Nun spielen sie mit der Türkei den Viertelfinaleinzug aus

GENF taz ■ Die Tschechen waren am Mittwoch zweifelsohne die bessere Gemeinschaft, man musste nur genau hinsehen. Während die portugiesischen Künstler sich im Stade de Genève zwischen ihren genialischen Einfällen um die Ausführung von Freistößen zankten, Eitelkeiten frönten und unentwegt auf Komparsen wie Joao Moutinho schimpften, gab Karel Brückners Team ein Bild der Geschlossenheit ab. Sie feuerten sich gegenseitig an. Klatschten sich ab. Hauten dem Schuldigen nach Fehlern tröstend auf den Popo.

So viel soziale Harmonie erschien den Zynikern schon wieder verdächtig. Doch der außergewöhnliche Zusammenhalt in der Truppe, von dem die Spieler in jedem Interview schwärmen, überstand auch die 1:3-Niederlage bemerkenswert unbeschadet. „Nach vorne sehr gut gespielt, aber leider verloren“, wie David Jarolim sagte, das sind genau jene Partien, nach denen die einzelnen Mannschaftsteile gerne voneinander abrücken. Bei den enttäuschten Tschechen ließen sich nach dem Schlusspfiff jedoch keine spalterischen Tendenzen erkennen. Sie nahmen sich gegenseitig in Schutz – besonders den überraschend aufgestellten Milan Baros. Sein Gewinn der Torjägerkanone bei der EM 2004 in Portugal hat sich, wie Griechenlands Turniersieg, im Nachhinein als großer Irrtum der Geschichte erwiesen. Der 26-Jährige, seit Jahresbeginn erfolglos beim FC Portsmouth beschäftigt, zeigte jedoch im Verbund mit den energischen Außenspielern Jaroslav Plasil und Libor Sionko eine ansprechende Leistung. „Er hat ein sehr gutes Spiel gemacht“, sagte Petr Cech, „er hat die ganze Zeit gekämpft. Leider ist er in diesem Moment nicht mehr an den Ball gekommen.“

„Zwanzig Zentimeter“ hätten ihm gefehlt, sagte Baros über diese Szene in der 62. Minute, in der sich dieses launische, extrem unterhaltsame Spielchen für einen Sieger entschieden hatte. Der Stürmer kam nicht mehr an den Kopfball von Tomas Ujfalusi heran, im Gegenzug schoss Cristiano Ronaldo das 2:1. Tschechiens beispielhaftes „Alle für einen“ war letztlich gegen den einen machtlos.

„Wir haben ihn lange ruhig gehalten“, beklagte Cech, „aber Cristiano war heute zu gut für uns.“ Die fairen Verlierer einigten sich auf die Formel, dass die Niederlage im Verbund mit dem schmeichelhaften Auftaktsieg gegen die Schweiz bewertet werden musste. „Uns hat heute genau das Glück gefehlt, das wir am Samstag gehabt haben“, wusste David Rozehnal. Der Verteidiger hatte vor dem 0:1 den Laufweg von Ronaldo nicht dechiffrieren können, aber die Tschechen durften sich insgesamt zu Recht grämen. Mutig und präzise waren sie in der Offensive an die Grenzen ihrer Möglichkeiten gegangen. „Wir haben richtig gut Fußball gespielt“, sagte Torschütze Sionko, „umso mehr tut uns diese Niederlage weh.“

Als dann Jarolim von einem „echten Endspiel“ gegen die Türkei sprach, konnte er noch gar nicht ahnen, wie recht er damit haben würde. „Das Spiel darf keine Kopfsache werden“, mahnte Ujfalusi. Und Sionko beruhigte: „Wenn wir die gleiche Leistung bringen, haben wir eine gute Chance.“

Tschechien: Cech – Grygera, Ujfalusi, Rozehnal, Jankulovski – Matejovsky (68. Vlcak), Galasek (73. Koller), Polak – Sionko, Plasil (86. Jarolim) – Baros Portugal: Ricardo – Bosingwa, Pepe, Ricardo Carvalho, Paulo Ferreira – Petit – Deco, Joao Moutinho (75. Meira) – Cristiano Ronaldo, Simao (80. Quaresma) – Nuno Gomes (79. Almeida) Tore: 0:1 Deco (8.), 1:1 Sionko (16.), 1:2 Ronaldo (63. ), Quaresma (90. +1)