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Archiv-Artikel

Der Outsider

John Barron kann singen wie Elvis, macht seit 16 Jahren professionell Rock‘n‘Roll und spielt in dem Film „Deichking“ die Hauptrolle. Sein neues Album heißt „Rock ‘n‘ Roll ist nicht so leicht“ und Barron weiß, wovon er singt – weswegen auch Promis wie Bela B. und Fettes Brot auf ihn fliegen

von KLAUS IRLER

An jenem Nachmittag, als der Helicopter kam, war John Barron gerade im Studio in Stade. Barron war alleine, seine Band war bereits unterwegs zum Auftritt, in einer Stretch-Limousine. Barron schnallte den Gürtel mit der großen silbernen Gürtelschnalle um und setzte seine Sonnenbrille auf. Dann ließ er sich neben dem Piloten nieder. Er wusste, dass die Menge schon heiß war, und er wollte die Fans nicht mehr lange warten lassen. Glücklicherweise war der Auftritt in Elmshorn, auf einer Freiluft-Bühne am Deich. Von Stade aus ist das in einer vertretbaren Zeit zu schaffen, mit dem Helicopter.

Der Auftritt in Elmshorn am Deich wurde für John Barron beruflich der bedeutendste Tag des Jahres 1998. Erstens, weil John Barron, der einmal als Dirk Luczkowski in Elmshorn eine Maler-Lehre gemacht hatte, nie gedacht hätte, dass er jemals mit einem Helikopter zu einem Rock‘n‘Roll-Auftritt geflogen werden würde. Zweitens, weil nach diesem PR-Gag Barrons damalige Band zerbrach, inklusive Streit mit dem Management.

Es ist eine von diesen John Barron-Geschichten, die ihren Charme daraus ziehen, dass hier jemand seinen Rock‘n‘Roll-Traum auch ohne großartige Unterstützung durch die Kulturindustrie lebt, obwohl die Kulturindustrie diesen Traum eigentlich erst erfunden hat. Trotzdem nimmt Barron seinen Job als Entertainer sehr ernst, gleichzeitig zitiert er den Rock‘n‘Roll-Zirkus mit einiger Selbstironie. Auch weil klar ist, dass diese Show schon vor Jahrzehnten erfunden wurde – zur Zeit von Elvis Presley, zum Beispiel.

John Barron nämlich ist ein Musiker aus Elmshorn, der ziemlich exakt so singen kann wie Elvis, seit 16 Jahren sein Geld mit Rock‘n‘Roll und Rockabilly verdient und knapp 1.000 Auftritte hinter sich hat. Obwohl er Tourneen mit dem ehemaligen Elvis Presley-Gitarristen Scotty Moore gespielt hat, kamen der überregionale Erfolg und das große Geld nie. Trotzdem ist John Barron schon einmal mit dem Helicopter zu einem seiner Auftritte geflogen. Trotzdem hat er zusammen mit Michael Söth einen Film über sein Leben gemacht. Und unter‘m Strich wundert sich Barron erfreut darüber, was ihm schon alles passiert ist. Ihm, dem Elvis-Fan aus Elmshorn, der mittlerweile 42 Jahre alt ist und von sich sagt: „Ich bin voll da, mehr, als je zuvor.“

Konkret liegt das an Barrons neuem Album namens „Rock‘n‘Roll ist nicht so leicht“, das kürzlich erschienen ist – fast zeitgleich mit der DVD des Films „Deichking“, in dem Barron sich selbst spielt.

„Deichking“ ist die Geschichte von einem Bauernsohn in der norddeutschen Provinz, der Elvis entdeckt, ein Projekt, das wie das Helicopter-Konzert keine große Firma im Rücken hat. Der Film wurde mit einem privat finanzierten Budget von 100.000 Euro gedreht und hat keinen Verleih. Dafür aber hatte der Film Förderer, die dem Projekt nicht ihr Geld, aber ihre Popularität beisteuerten: Bela B. von den Ärzten spielt mit, ebenso wie die HipHop-Combo Fettes Brot, der Hamburger Musiker Lotto King Karl und Aale Dieter vom Hamburger Fischmarkt.

Am eher schlichten Drehbuch wird es nicht gelegen haben, dass die Promis bei dem Low-Budget-Projekt um den verhältnismäßigen No-Name John Barron mitmachten. Vielmehr lag es daran, dass man sich zufällig kannte – Bela B. beispielsweise hatte seinen Dauerkarten-Sitzplatz beim FC St. Pauli neben dem von John Barron, so lernte man sich kennen. Und es lag sicher daran, dass Barron etwas hat, mit dem sich auch Fettes Brot – Nordish by Nature – schmücken möchte: Street Credability. John Barron ist mit Sicherheit weder Modeerscheinung noch Industrieprodukt. Das macht ihn sehr cool.

Riskant könnte es nun sein, dass John Barron auf seinem neuen Album erstmals auf Deutsch singt. Es könnte wirken, als würde er sich dann doch noch nach dem großen Musikmarkt richten, der mit einem deutschsprachigen Elvis-Aufguss vielleicht noch etwas mehr anfangen kann als mit einem englischsprachigen. Folgerichtig erzählt Barron im Track „Rock‘n‘Roll ist nicht so leicht“ erstmal vom wilden Rock‘n‘Roller-Leben: „Hast du eigentlich mal mitgezählt, wie viel Gigs du hinter hast. Hier ‘n Hunni, da ‘n Hunni und meistens Bier vom Fass.“ Es erinnert oft ein bisschen an Truck Stop. Dafür ist Bela B. als Gastsänger dabei: „Viele Jahre was erleben, das ist wunderbar. Du hast Spaß, was nützt dir das. So wirst du nicht zum Star.“

Nach 37 Jahren in Elmshorn lebt John Barron mittlerweile in Embsen bei Lüneburg, wo ihn die Liebe hinverschlagen hat. Es ist ein Einfamilienhaus, im Wohnzimmer sind die Wände in verschiedenen Sandtönen gehalten, aufgetragen in Wischtechnik. Es gibt zwei Hunde und nicht viele Möbel, eine Palme steht vor einer rustikalen Vitrine und John Barron geht es gut, wenn er sagt: „Ich habe immer versucht, wieder etwas auf die Reihe zu kriegen. Gut: 1.000 Gigs – das hat Elvis innerhalb von drei Jahren geschafft. Aber ich bin ja nicht Elvis.“

Nächste Auftritte: 18.6., Deichkingnacht Dahme im Eventzelt Seebrücke / Strandhalle; 18 Uhr 24.6. Kieler Woche, Debitel-Bühne, 22.30 Uhr