: Ein Polizist wehrt sich gegen Mobbing
Nach seinem Freispruch will Kamiar M. die Polizeiführung verklagen. Als Anwalt vertritt ihn der Ex-Innenstaatsrat Walter Wellinghausen. Im Polizeipräsidium zum Ausziehen gezwungen. Wohnung ohne Beschluss durchsucht
Der Prozess wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung gegen den Polizisten Kamiar M. wird wohl für die Polizei und die Innenbehörde ein juristisches Nachspiel haben. Der taz kündigte Verteidiger Uwe Maeffert an, dass Kamiar M. nun nach dem Freispruchurteil vom Freitag die Polizeiführung verklagen wird. Pikant: Sein Anwalt wird der Ex-Innenstaatsrat Walter Wellinghausen sein.
Im Zentrum der Klage dürfte M.s dubiose Festnahme im Polizei-Präsidium stehen. Unter dem Vorwand, eine Gefährderansprache abhalten zu wollen, hatte ihn Polizeidirektor Kuno Lehmann am 12. September 2007 – zwei Tage nach der vermeintlichen Tat – nach Alsterdorf gelockt. Tatsächlich wollte Lehmann ihn zur Kündigung bewegen.
Als Kamiar M. nicht einwilligte, stürmten Beamte des Mobilen Einsatz-Kommandos mit gezogenen Waffen und Infrarot-Visieren Lehmanns Büro und nahmen M. fest. Obwohl die Spezialpolizisten beobachten konnten, dass M. in T-Shirt und Jeans ohne Waffe erschienen war, zeigten sei ihr ganzes Repertoire. Und nicht nur sie: Der gebürtige Iraner Kamiar M. musste sich vor allen Kollegen nackt ausziehen.
Bei M.s Vernehmung hatten die Beamten des Dezernats Sexualdelikte mit der Darstellung gepokert, seine Freundin Claudia R. habe ihn wegen der angeblichen sexuellen Nötigung verlassen und sei aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen. Ein Beamter durchwühlte die Wohnung des Paares ohne Durchsuchungsbeschluss und ohne R. darauf rechtlich hinzuweisen, dass es sich um eine förmliche Vernehmung handeln würde. Notizen machte sich der Polizist über die Angaben nicht. „Eine Schlamperei, die ich sonst von diesem Dezernat nicht kenne“, sagte Maeffert in seinem Plädoyer zum Prozessende.
In den Augen Maefferts ist das ein Indiz dafür, dass eine polizeiinterne Intrige hinter dem Fall steht, weil M. sich einmal bei Innensenator Udo Nagel über Kuno Lehmann beschwert hatte. Als die Richterin Venta Billen am Amtsgericht Blankenese von diesem Sachverhalt erfuhr, brach sie kurzerhand die Beweisaufnahme ab und schickte alle sieben weiteren Zeugen der Polizei nach Hause.
Dass sich Kamiar M. von Wellinghausen vertreten lässt, entbehrt nicht der Pikanterie. Wellinghausen gilt als Vertrauter des rechtspopulistischen ehemaligen Innensenators Ronald Schill. Er holte den Kriminalbeamten Udo Nagel als Polizeipräsidenten an die Elbe. Wellinghausen werden auch gute Kontakte zur Organisierten Kriminalität nachgesagt, obwohl er in Juristenkreisen als Verwaltungsrechtler als Koryphäe gilt. KAI VON APPEN
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