Gefunkt hat es nicht immer

Die eigenen Klassiker mal anders hören: Das Sonar Kollektiv Orchester stellte im Lido sein erstes Album vor

Eigentlich eine schöne Idee: zum zehnten Geburtstag als Label eine hauseigene Band gründen. Das Berliner Sonar Kollektiv ist mit seinen Gründern Jazzanova, dem House-Duo Âme oder Bands wie den neuseeländischen Fat Freddys Drop international eines der bekanntesten elektronischen Labels aus Deutschland. Das Kollektiv verfeinerte sein Jubiläum im vergangenen Jahr mit dem neuen Projekt Sonar Kollektiv Orchester. Die Coverband stellte am Dienstag im Lido ihr erstes Album „Guaranteed Niceness“ mit Klassikern des Labels vor. Gefunkt hat es nicht immer.

Eng war es auf der kleinen Bühne, die fünfzehn Musiker mussten sich ganz schön drängeln. Mit vier Streichern, drei Bläsern, drei Sängern und einer Rhythmusgruppe war an große Bühnenshow nicht zu denken. Es reichte gerade mal für den nötigen Radius, um die Instrumente sachgemäß zu bedienen.

Das Sonar Kollektiv Orchester, eine Big Band, spielt intelligente R&B-Arrangements der Titel von Jazzanova und Kollegen. Geleitet wird die Band, die sich aus Künstlern des Labels und befreundeten Musikern zusammensetzt, von Keyboarder Volker Meitz, der neben Jazzanova mit Projekten wie De-Phazz oder Phonique gearbeitet hat. Alle Bearbeitungen stammen von ihm, und auf der Bühne war er, wenngleich von den Sängern verdeckt, mit seinem Fender-Rhodes-Piano das Zentrum des Geschehens.

Coverversionen sind Angebote, einen neuen Blick auf Bekanntes zu werfen und bisher Unbeachtetes zu entdecken. Sie können im besten Fall verhindern, dass das Original eines Songs als Fetisch verklärt wird, neben dem es keine anderen geben darf. Das Sonar Kollektiv scheint hier eine neue Leidenschaft entwickelt zu haben: Zu Beginn des Jahres veröffentlichte es mit „Christian Prommer’s Drumlesson Vol. 1“ eine Sammlung von House-Klassikern in Jazzgestalt.

Beim Sonar Kollektiv Orchester fallen die Bearbeitungen ziemlich unterschiedlich aus. Manche Stücke funktionieren ganz fantastisch: „Boom Clicky Boom Klack“ von Jazzanova ist präziser, eckiger Funk, die Rhythmusgruppe spielt auf den Punkt, allen voran Schlagzeuger Rainer Winch mit seinem gelassen kontrollierten Timing. Bei „Midnight Marauders“ von Fat Freddys Drop hingegen macht das Arrangement keine schlechtere Figur als das Original, doch die wenig prägnante Stimme des Sängers Wilson Michaels lässt das Ganze etwas blass erscheinen. Die charakteristischste Stimme des Abends war Jazzanova-Sängerin Clara Hill, die hin und wieder etwas affektiert sang und als einzige Musikerin ihrem Bewegungsdrang nachging. Nicht ganz so eindringlich, aber völlig überzeugend wirkte Esther Cowens, ihr sanfter Gesang passte prima zum Klang des Orchesters.

Gewagter als die Songs gerieten die reinen Instrumentalbearbeitungen, wenn auch nicht immer mit dem gewünschten Erfolg: Âmes House-Hymne „Rej“ baut seine Spannung mit komplex geschichteten Polyrhythmen auf, die erbarmungslose Präzision verlangen. Davon war bei den Musikern nicht genug zu spüren, der komplizierte Aufbau des Arrangements verwässerte die Wirkung nur noch mehr. Hinzu kam der mäßige Sound, gegen den das Ensemble fast durchgehend zu kämpfen hatte.

Dieser war wohl das größte Problem des Abends: Das Orchester klang meistens nicht wie ein aufeinander eingespieltes Team, sondern zerfiel in seine einzelnen Gruppen. Auf dem Album ist von derlei Schwierigkeiten nichts zu hören, die Aufnahme ist warm und transparent. Der Titel des Albums ist also korrekt: Nett ist die Musik des Sonar Kollektiv Orchesters garantiert. Mitreißend ist sie nur manchmal. TIM CASPAR BOEHME

Sonar Kollektiv Orchester: „Guaranteed Niceness“ (Sonar K./Rough Trade)