berliner ökonomie
: Feind bleibt Feind

Mark Palmer ist einer der Raubritter, die im Ex-Ostblock nach Rendite suchen. Mit durchwachsenem Erfolg

Mark Palmer ist laut New York Times der „Chief Chremlinologist“ und „most active Western booster for economic and political liberation“. Als US-Botschafter in Ungarn war er zusammen mit Außenminister Hans-Dietrich Genscher bei der Überführung der DDR-Bürger aus der BRD-Botschaft in Budapest nach Gießen engagiert – und setzte sich dann auch persönlich im Ostblock für die Freiheit ein, als dies unternehmerisch möglich wurde. Neben Zementfabriken erwarb er unter anderem Fernsehstationen in Ungarn, Polen und Tschechien. Mit dem Kosmetikkonzern-Erben Ronald Lauder und dem zu den „Top Ten Outlet Owners“ gehörenden Abraham Rosenthal gegründete Central European Development Corporation (CEDC) investierte er in „six former communist countries“. Darunter am Ostberliner Fernsehturm – in den dortigen TV-Sender „1A“, sowie in den Erwerb des gesamten Geländesam Grenzübergang Checkpoint Charlie. Dort ließ er mit Geldern von Anlegern und Banken einen „Mixed Used Complex“ der Extraklasse errichten.

Um dies von Anfang an spektakulär anzugehen, erfanden sie 1994 zusammen mit der US-Werbeagentur Ogilvy & Mather die „Baustelle als Schaustelle“. Dazu gehörte vor allem ein riesiges „Baustellen-Portal“ – mit dem Foto eines amerikanischen Panzerfahrers und dem Spruch „Halt, hier wird gebaut! 1961 – Die Mauer wird gebaut. 1994 bis 1998 – Fünf Jahre nach ihrem Fall entsteht hier eine der attraktivsten Businessadressen Europas“. Angeblich wurde daraus das „meistfotografierte Bauschild der Welt“. Hinzu kam daneben noch ein überlebensgroßes Cut-out ihres amerikanischen Stararchitekten Philip Johnson, der dann den „Block 106“ als Hochhaus plante.

Anfang 1995 wurde der Johnson-Cut-out aus Blech geklaut. Seine „Entführer“ schickten dem Tagesspiegel ein abgesägtes Ohr und der Bauwelt ein Bekennerschreiben, in dem sie sich nietzscheanisch über die Genies mit den allzu großen Ohren ausließen. In einem anschließenden Fax-Interview behaupteten sie überdies: „Wir sind das Volk, der Wagen war geliehen“. Mark Palmer hatte trotz dieser enormen „Medienresonanz“ massive Vermietungs- bzw. Verkaufsprobleme am Checkpoint Charlie. Erst wurde dem Architekten Johnson von der Stadt das Hochhaus auf die Hälfte runtergekürzt, dann musste die CEDC das Bauvolumen reduzieren, so dass die halbe Grenzanlage unschön stehen blieb.

Anfänglich gab Palmer dem zögerlichen Hauptstadt-Umzug die Schuld dafür, dass die Stadt und somit der Immobilienmarkt nicht richtig in Schwung kam. Der wenig später inhaftierte Bauunternehmer Roland Ernst riet zur Geduld – gerade bei dieser Art von Standortspekulation: „Darum heißt es ja Immobilie!“ Um die Dinge dennoch zu beschleunigen, gründete Mark Palmer mit anderen Hauptstadt-Investoren einen Berlin-Pressureverein und wurde Präsident der „Capital Development Company“ (CDC). In Pressemeldungen und -interviews verband Palmer das Licht am Ende des Tunnels von Berlin – und speziell die Gewinnerwartungen seiner Anleger – mit dem Millenniumswechsel: „Erst in fünf Jahren wird Berlin eine richtige Stadt sein, denn dann wird es hier erstmalig ‚First Class Department Stores‘ und wirkliche ‚Hotels mit Worldclass‘ geben“. Viel passiert ist allerdings seitdem nicht. Sein Mixed-Used-Complex dümpelte trotz einer dicken Kunst-am-Bau-Investition (in Claes Oldenburg) halbleer vor sich hin. Bis die B.Z. Ende 2005 meldete: „Promi-Adresse, glitzernde Glasfassade, erlesene Mieter – aber leere Kassen: Die Fonds-Gesellschaft, der das Philip-Johnson-Haus gehört, hat Insolvenz angemeldet.“

Den größten Teil der Bausumme hatten Fonds-Anleger aufgebracht – 100 Millionen Euro. Die restlichen 50 Millionen kamen von Banken, eine brachte das Insolvenzverfahren in Gang. Die Fondsanlager bangten um ihr Geld und hofften, dass der Konkurs vermieden werde. Aber noch immer schleichen Künstler und Kunstaussteller um das Firstclassobjekt. Was ja stets das Ende der Umwandlung von Realprofiten in symbolisches Kapital ist – das dann allerhöchstens bei den Kunstmessen von Miami wieder Zugang zu den Geldkreisläufen findet.

In Miami ist dann auch Mark Palmer gesehen worden, der sich schon lange enttäuscht aus Berlin zurückgezogen hat. Seine CEDC verkündete in der Palm Beach Post: „Slovakia“ sei „The New Darling of Central Europe“, während Palmer selbst angeblich die Ukraine unsicher machte. Auch seinem Genossen Lauder wurde das Development des Checkpoint-Charlie-Komplexes zu mühsam: 2007 stürzte er sich auf das einst größte Gebäude der Welt, den Flughafen Tempelhof, aus dem er eine Klinik für die Reichen und Schönen zu machen versprach. Trotz sofortiger Unterstützung durch die Berliner CDU und die Springerpresse verendete diese Sauerei aber in einem erfolglosen Volksentscheid. HELMUT HÖGE