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Archiv-Artikel

Sonne, Cocktails, Shorts

Bikini- und baströckchentauglich: Mit dem Festival „Wassermusik“ beschwört das Haus der Kulturen der Welt den Sommer und die Südsee – mit alten Filmen, aber auch neuen Konzerten

VON JENNI ZYLKA

Bilder wie Urlaubspostkarten, Sprüche wie Werbeslogans, Wellen wie Hochhäuser: „The endless summer“ ist die bekannteste Surf-Dokumentation, seit Menschen so irre sind, mit kleinen abgesägten Flugzeugflügeln vor der Brandung auf dem Wasser davonzureiten. Der Film erzählt nicht nur vom Mut und der Leidenschaft der Surfer, die ihren Sport als Lebensart begreifen, sondern spiegelt auch die Oberflächlichkeit, den latenten Rassismus und Sexismus und die Unbekümmertheit der Surfer-Hochzeit in den 60ern. In Bruce Browns endlosem, quietschbuntem und mit Waghalsigkeit, kleinen Gags und Surfertricks vollgestopftem Videoclip von 1966, in dem zwei weiße, stetig grinsende US-Boys mit Gel im Haar zu wunderbarem Surf-Sound die Küsten der Welt abklappern, um „den besten Surf“ zu finden, ist immer wieder vom „primitiven Afrika“ mit seinen „merkwürdigen Eingeborenen“ die Rede, die staunend zugucken, wie die beiden Besucher auf den Boards über die Wellen segeln.

In Australien dürfen auch Mädchen surfen, tragen dabei aber Bikinis, was die beiden Jungs fast vom Brett stolpern lässt: In bester und schmierigster Herrenrundenmanier können sie ihren Blick nicht vom Höschen der Häschen lösen. Bruce Browns Sohn Dana ist ebenfalls Surfer, begreift den Sport ebenfalls als Fun-Fun-Fun-Lebensinhalt und drehte 2003 die Dokumentation „Step into Liquid“. Hier sind die Wellen noch höher, die Menschen noch begeisterter, die Farben noch satter, das Wasser noch tiefer und die Philosophie noch flacher: Ein einziger überkandidelter Heile-Welt-Spot im Wasser, dem leider der 60er-Jahre-Retro-Appeal seines Vorgängers abgeht.

Diese in unterschiedlichster Hinsicht wichtigen und beeindruckenden Surf-Dokus sind Teil des Themenkomplexes „Surf“ auf dem Festival „Wassermusik“, das im Haus der Kulturen der Welt bis zum 27. Juli das „Urelement des Lebens“ ehrt. Im Surf-Kapitel spielt außerdem die Instrumental-Surfband „The Surfaris“, die mit „Wipe Out“ die Mutter aller Surfhits schrieb. Ein russisches Surf-Elektro-Duo mit großer Schwäche für 60er-Jahre-Trashfilmzitate und eine israelische Surf-Klezmer-Band interpretieren ihren Lieblingssound neu. Und schließlich hat sich auch der US-amerikanische, außergewöhnliche Avantgarde-Gitarrist Marc Ribot, der auf Tom-Waits- und Lounge-Lizards-Alben spielte, mit dem Thema Surf auseinandergesetzt.

Ein zweiter Festivalteil gilt den „Seefahrerliedern“: Der Schweizer Dokumentarfilmer Bruno Moll hat ein Altersheim für „Gente di mare – Seeleute“ besucht und die grau melierten Wasserliebhaber schwelgen lassen. Außer dem brasilianischen Bahia- und Bossa-Star Dori Caymmi tritt die argentinische Ex-Comedienne Juana Molina auf: Ihre sphärisch-sonore Stimme schwebt über Gitarre und Elektrogezirpe, irgendwo klappert ein Beat vorbei, und zusammen erzeugt dieses ungewöhnliche Konzept aus Folk, Elektro und Mädchen-Songwritertum eine irisierende und extrem spannungsvolle Mischung.

Der Tiki-Teil des Festivals gibt sich typischerweise wieder etwas eklektizistischer: Nett, prima, partytauglich und größtenteils harmlos sind Live-Acts wie „Don Tiki“ oder die Easy-Listening-Fraktion „Lushy“. Aufregender ist Friedrich Wilhelm Murnaus Stummfilm „Tabu, a story of the south sea“ von 1931, in dem die Tiki-Götter den Tabubruch einer jungen Inselschönheit rächen. Mit der Geschichte des Tiki-Kults der Südsee und des daraus entstandenen Tiki-Hypes in den USA und Europa beschäftigen sich ein Vortrag mit dem Titel „Rum, Hula-Mädchen und Exotica“ und die Dokumentation „Armchair Travelling“.

Auf dem Höhepunkt jenes ersten, US-amerikanischen Tiki-Hypes und Exotik-Sehnsuchtsgefühls der 50er und 60er hüpfte auch der besonders heiß in Badehose und mit Bikinimädchen im Arm aussehende Elvis mit in den Hula-Ring und drehte 1961 „Blue Hawaii“ – typischer Elvis-Film-Quatsch und der erste von drei Filmen, die mehr oder weniger auf Hawaii gedreht wurden. Die Elvis-Filme bringen nun den Tenor der Tiki- und Surfphilosophie, wenn man überhaupt eine finden kann, auf den Punkt: Es geht um Sonne, Cocktails, um Spaß in Shorts und um juveniles Necking am Strand. Die Silhouette jeglicher Surf- oder Tiki-Stars musste also vor allem bikini-, badehosen- und baströckchentauglich sein.

Dass das Haus der Kulturen der Welt den Tenor des Festivals nicht komplett zugunsten der leicht-seichten Summerfun-Unterhaltung gedreht hat, sondern mit einem „Wassermarkt“, einer „Wasserakademie“ für Kinder, Debatten und Vorträgen auch vorsichtig die Themen einschmuggelt, die mit dem Klimawandel, mit Durst, Dürre und Umweltverschmutzung nicht aus dem lebenswichtigen Nass herauszufiltern sind, ist konsequent. Vielleicht denken so auch ein paar notorische Wellensucher drüber nach.

Wassermusik, bis 27. Juli, jeweils Do.–So. im Haus der Kulturen der Welt, Programm unter www.hkw.de