: Zukunft mit Signalwirkung
Die Diskussion um die Verlegung der Uni geht weiter. Hochschul-Chefin Auweter-Kurz ist für eine radikale Lösung, Bezirkspolitiker bremsen. Ein Campus-Rundgang zeigt: Nicht alles ist marode
VON KAIJA KUTTER
In der Debatte um die bauliche Zukunft der Universität spricht sich die Hochschulpräsidentin Monika Auweter-Kurtz für eine radikale Lösung aus. „Die Uni braucht eine Entwicklungsperspektive“, sagte sie am Dienstag bei einem Rundgang über den Campus. Angesichts des Platzmangels und des schlechten Zustands vieler Gebäude könne sie sich den Totalumzug auf den Kleinen Grasbrook gut vorstellen. „Das hätte eine Signalwirkung in die Welt.“ Sollte es dazu icht kommen, plädiert Auweter-Kurtz dafür, etliche Gebäude der Naturwissenschaften an der Bundesstraße abzureißen und dort unter besserer Ausnutzung der Fläche neu zu bauen.
Schlimm steht es wohl um das Geomatikum, das verraten die grauen Flecke auf der roten Fassade des 70er-Jahre-Hochhauses. Hier wurden lose Teile der Außenwand getrade erst notdürftig verputzt. „Ich habe Angst, dass das Geomatikum geschlossen wird“, sagt die Präsidentin. „Erst neulich ist wieder Fassade runtergefallen, an einer Stelle, die nicht abgesperrt war.“ Auch im Haus der Sportwissenschaft an der Mollerstraße „kommt was von der Decke runter“, führt Bauabteilungsleiter Michael Hinz aus. Der schlechte Zustand betreffe „wirklich viele Gebäude“. Weil Flickerei nicht weiter helfe, ließ Auweter-Kurtz die Sanierung einzelner Bauten stoppen.
Zusätzliche Masterstudienplätze und ein Zuwachs bei den Forschungsprojekten führten zu einem Flächenbedarf von 20 Prozent bei den Natur- und Wirtschaftswissenschaften. „Wenn wir neue Kollegen bekommen, müssen die auch irgendwo sitzen“, so Auweter-Kurtz. Für das neue Exencenzcluster „Klimaschutz und Meeresforschung“ würde sogar der Bund Neubauten finanzieren – nur brauche sie dafür Platz.
Der Campus-Rundgang, zu dem die Hochschulpolitiker Wolfgang Beuß (CDU) und Eva Gümbel (GAL) die Presse eingeladen haten, streifte aber gar nicht das Geomatikum, sondern er begann bei den erst vor vier Jahren bezogenen „Flügelbauten“ am Uni-Hauptgebäude. „Ein Filetstück“, schwärmte Beuß, der zugleich CDU-Kreischef in Eimsbüttel ist. „Es fällt den Leuten schwer, sich vorzustellen, dass hier nichts mehr ist“, sagte er und mahnte „kluge Lösungen“ an.
Auch seine grüne Kollegin forderte eine „besonnene Diskussion“: Vier Varianten – Sanierung, Teilabriss und Neubau, Teilverlagerung an einen anderen Ort oder Komplettverlagerung – hatte Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach (CDU) vorige Woche vorgestellt. Bis zum Frühjahr soll eine Kommission diese prüfen. Erst wenn deren Ergebnisse auf dem Tisch lägen, sagte Eva Gümbel, „kann man ernst über die Varianten reden“. Geklärt werden müsste unter anderem die Finanzierung. Eine Milliarde kostet ein Komplettneubau, die Sanierung am alten Ort wird auf 400 Millionen Euro geschätzt. Es rächt sich, dass frühere Senatoren die Uni stiefmütterlich behandelten und andere Prestigeprojekte bevorzugten.
Der Rundgang streifte den Betonbau der Wirtschaftswissenschaften, 22.000 Quadratmeter kompakt bebauter Fläche, in dem die meisten Seminarräume keine Fenster haben und die Kabel marode sind. „Wenn bei Dunkelheit die Leuchtstoffröhren ausgehen, fällt schon mal der Strom aus“, berichtete Hinz. Auch im „Philosophenturm“ zeigen sich veraltete Schächte für Elektrokabel, die nicht mehr den Vorschriften entsprechen. Und der so genannte „Hochbunker“ am Allende-Platz, in dem das Institut für Bodenkunde untergebracht ist, hat in seinen Laboren nicht mal Abzugshauben. Aber das Gebäude steht unter Denkmalschutz.
Auch das Ensemble rund um den Campus-Ententeich wird von Experten als schutzwürdig eingestuft, einschließlich des Audimax, in dem 1968 der „Muff von tausend Jahren unter den Talaren“ verjagt wurde.
Niegelnagelneu saniert ist dagegen das Gebäude der Erziehungswissenschaften, und seinen Hörsaal schmücken sogar grüne Marmorwände. „Wir brauchen kluge Ideen, um das erhaltenswerte zu erhalten“, sagte Bezirkspolitiker Wolfgang Beuß. „Wir müssen die Menschen mitnehmen.“ Schließlich lebe das Viertel mit all seinen Kneipen, Kaffee- und Kopierläden von der unmittelbaren Nähe zur Hochschule. „Für mich ist wichtig, dass die Generalentscheidung schnell fällt“, hielt Auweter-Kurtz dagegen. „Nicht dass es heißt, wir bauen in der Hafencity, und dann passiert zehn Jahre nichts.“
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