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Archiv-Artikel

Ein Kampf mit Symbolen

Am Sonntag wird vor dem Reichstag in Berlin ein öffentliches Rekrutengelöbnis gefeiert. Eine „Öffnung“ zur zivilen Gesellschaft aber geht anders als das Spiel mit Ehrenmalen und Orden

DAS GELÖBNIS

Am Sonntag findet vor dem Reichstag in Berlin ein öffentliches Gelöbnis von 5.000 Bundeswehrrekruten statt. Das Bezirksamt Mitte hatte es zunächst abgelehnt, die Veranstaltung zu genehmigen. Für die Nutzung der Wiese vor dem Parlament sei ein „überwiegendes öffentliches Interesse“ nötig. TAZ

VON ULRIKE WINKELMANN

Drei aktuelle Nachrichten von der Bundeswehr: 1.) Die Bundeswehr wird am Sonntag ihre neuen Rekruten nicht auf dem Hof des Ministeriums, sondern auf der Wiese vorm Reichstag vereidigen. 2.) Die Bundeswehr wird ihren Gefallenen auf dem Ministeriums-Hof ein Ehrenmal bauen. 3.) Die Bundeswehr wird einen neuen Tapferkeitsorden einführen.

Die Bundeswehr führt einen Kampf mit Symbolen – um Anerkennung bei der Zivilgesellschaft. Bundespräsident Horst Köhler attestiert der Bundesbevölkerung ein – allerdings bedauerliches – „freundliches Desinteresse“ an ihrer Wehr, doch für viele Soldaten klingt das noch nach Beschönigung: Dass der Afghanistaneinsatz vom Wahlvolk abgelehnt wird, nehmen sie persönlich. „Man kann da machen, was man will, hier hauen alle immer nur drauf“, sagt ein Unteroffizier, der gerade in Afghanistan war.

Politiker fast aller Parlamentsparteien steuern gegen: Wenn schon keinen Jubel, so gibt es demnächst doch wenigstens neue Orden. Das Datum 20. Juli für das öffentliche Gelöbnis betont schon seit 1999, dass die Bundeswehr sich in die Tradition der Hitler-Attentäter stellt. Das Gelöbnis nun vor dem Reichstag in Berlin soll die Nähe zu Parlament und Volk unterstreichen – und hat freilich auch den Hintergrund, dass auf dem Hof des Bendlerblocks schon eine Baustelle präpariert wird – für das Ehrenmal.

„Die Bundeswehr sucht nach einer neuen Identität“, erklärt der Freiburger Militärhistoriker Wolfram Wette, „und sie sucht sie in Traditionen und Zeremoniell.“ Gelöbnisse auf dem Reichstagsrasen, Denkmäler und Orden seien jedoch ein ganz falsches Mittel, das Verhältnis zur Gesellschaft neu zu definieren. Die proklamierte Öffnung zur zivilen Gesellschaft hin sei dabei nur ein Versuch, die „neue Normalität“ der Auslandseinsätze seit den 1990er-Jahren zu legitimieren, ohne die neue Militarisierung beim Namen zu nennen.

„Man klaut beim Pazifismus das Vokabular“, sagt Wette – Stichworte „Friedenseinsätze“ und „Friedenssicherung“. Doch werde so nur verschleiert, dass es einen Widerspruch gebe zwischen der Friedwilligkeit, zu der die Deutschen seit 1945 erzogen wurden, und dem Willen der Bundesregierungen seit 1990, die alte Politik der Zurückhaltung aufzugeben. Statt einer offenen Diskussion über die „Gefahren, die im Übergang von eher polizeilichen Aufgaben zu veritablen Kriegseinsätzen drohen“, böten Bundeswehr und Regierung nun „bloß rückwärts gewandte Symbolik“.

So harsch sieht es der Verteidigungsexperte der Grünen, Winfried Nachtwei, nicht. Es gebe „echte Tendenzen zur Öffnung“ der Bundeswehr zur Zivilgesellschaft. Die Offiziere zeigten ein größeres Interesse an ziviler Krisenprävention, an Zusammenarbeit mit Welthungerhilfe und Co., als mancher Beamter aus dem Auswärtigen Amt.

Und doch stellt auch Nachtwei „Anhaltspunkte“ dafür fest, dass die Bundeswehr zwar einen Tapferkeitsorden will, Zivilcourage intern jedoch nicht billigt. Die „Bürger in Uniform“, die am Sonntag vor dem Parlament stehen, würden für Bürgertugenden eher bestraft. So habe es mehrere Fälle gegeben, in denen Afghanistan-Rückkehrer nicht auf Diskussionspodien auftreten durften: „Maulkorb“, sagt Nachtwei.

Er verweist auch auf den Fall vor einem Jahr, als der Chefredakteur des Bundeswehrmagazins aktuell in einem Editorial den Papst kritisiert hatte und prompt seinen Posten verlor. Nicht zuletzt weise der jährliche Bericht des Wehrbeauftragten Reinhold Robbe ein steigende Zahl anonymer Eingaben auf. Der Wehrbeauftragte selbst moniert im Bericht, dass Vorgesetzte verlangten, Soldaten sollten ihre Eingaben zunächst mit ihnen besprechen.

Vor diesem Hintergrund tragen Ehrenmale, öffentliche Gelöbnisse und Orden wenig zur Anerkennung in der Bevölkerung bei. Eine wahre Öffnung der Bundeswehr sähe anders aus.