FDP-Politiker unter Verdacht

Die Staatsanwaltschaft Göttingen hat Vorermittlungen gegen den Mann eingeleitet, der als Richter tätig ist. Er soll versucht haben, einen Kollegen in einem Prozess zu beeinflussen, den eine Mieterin gegen ihn angestrengt hatte

Der Göttinger FDP-Politiker Norbert Ullrich ist im Visier der Staatsanwaltschaft. Nach Angaben der Behörde laufen gegen den 45-jährigen Juristen Vorermittlungen wegen des Verdachts der versuchten Nötigung und des versuchten Prozessbetruges. Ullrich soll einer Mieterin zu Unrecht gekündigt und im Rahmen des daraufhin gegen ihn angestrengten Miet-Prozesses versucht haben, einen Amtsrichter zu beeinflussen.

Ullrich ist selbst Richter am Göttinger Landgericht und Jura-Professor an der Fachhochschule der Polizei in Hann. Münden. In der FDP übt er etliche politische Ämter aus – er ist Vorsitzender des Bezirksverbandes Südniedersachsen, Vize-Vorsitzender des Kreisverbandes Göttingen, Mitglied im Landesvorstand sowie Fraktionschef der Liberalen im Göttinger Kreistag. 2005 kandidierte der FDP-Mann für den Bundestag.

Im Frühjahr vergangenen Jahres hatte Ullrich eine Wohnung seines Hauses an eine allein erziehende Mutter von zwei Kindern vermietet. Sechs Wochen nach dem Einzug erhielt die Frau eine Kündigung wegen Eigenbedarfs. Zu Unrecht, wie das Göttinger Amtsgericht entschied: Ullrich hatte das Haus zum Zeitpunkt der Kündigung bereits verkauft, ein Eigenbedarf habe nicht mehr bestanden. Ullrich hätte die Mieterin darüber informieren müssen, so das Gericht. Deshalb habe er nun für die der Frau entstandenen Kosten aufzukommen. Gegen das Urteil hat Ullrich Berufung eingelegt. Die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob Ullrich den Eigenbedarf nur vorgetäuscht hat.

Zur Zeit des Prozesses war Ullrich ausgerechnet Richter in der auf Mietsachen spezialisierten Kammer des Landgerichts. Er soll den Amtsrichter während des Verfahrens öfter zur Rede gestellt und dazu gedrängt haben, die Klage der Mieterin abzuweisen. Der Kollege könne sich auch für befangen erklären, weil Ullrich Assessoren-Ausflüge organisiere, an denen der Amtsrichter teilnehmen wolle.

Seit dem Wochenende lässt Ullrich zwar seine Vorstandsämter ruhen, die Anschuldigungen weist er jedoch zurück. „Dieses Verfahren ist aufgrund von unwahren Unterstellungen und Falschbehauptungen anderer Personen in Gang gekommen.“ Tatsächlich habe er gegen kein Gesetz verstoßen. Ein rechtsstaatliches Verfahren werde ergeben, „dass die Vorwürfe gegen mich nicht haltbar sind“. Die Göttinger FDP will sich zu der Sache erst nach Abschluss der Ermittlungen äußern. In der jüngsten Kreistagssitzung hatte ein Fraktionsmitglied der Liberalen die Vorwürfe gegen Ullrich als „beleidigende Unterstellungen“ bezeichnet.

Der Göttinger FDP-Kreisverband hat mit seinen Vorständlern nicht zum ersten Mal Probleme. Vor drei Jahren mussten sich der damalige Kreisvorsitzende Nicolo Martin und ein weiteres Parteimitglied vor Gericht verantworten, weil sie nächtens in den Keller eines von Studenten bewohnten Hauses eingedrungen waren, in dem eine Ausstellung über eine Hausbesetzung aufbewahrt wurde. Die FDP-Leute sollen dabei Pappmodelle des besetzten Gebäudes angezündet haben. Die Vorwürfe blieben damals jedoch ungeklärt. Das Gericht stellte das Verfahren gegen Zahlung einer Geldbuße ein. REIMAR PAUL

Anmerkung der Redaktion: Das Ermittlungsverfahren gegen Herrn Prof. Dr. Norbert Ullrich wurde am 3.11.2008 gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.