: Der Fluss ohne Schiffe
Die Oberelbe wird immer flacher. Hamburg aber will mehr Container auf Binnenschiffen nach Sachsen und Tschechien bringen. Umweltschützer wehren sich gegen weiteres Ausbaggern und Kanalisieren: Sie fordern mehr Güter auf die Schiene
Etwa 300 Umweltaktivisten aus Deutschland, Tschechien, Polen und den USA setzen sich seit diesem Wochenende im 16. Elbe-Saale-Camp in Barby bei Magdeburg für den Erhalt naturnaher Flusslandschaften in Sachsen-Anhalt ein. Wichtigstes Anliegen des bis zum 10. August dauernden Camps am Elbufer ist der Protest gegen den geplanten kanalartigen Ausbau des Nebenflusses Saale. Dieses Projekt für etwa 100 Millionen Euro sei „sinnlos“, weil die Elbe wegen der niedrigen Wasserstände im Sommer ein Engpass bliebe, sagt Camp-Sprecherin Simone Fella. Zudem würde die naturnahe Flusslandschaft unwiederbringlich zerstört. Zu den täglichen Veranstaltungen im Camp werden der grüne Parteichef Reinhard Bütikofer, Vertreter der Landesregierung und der Evangelischen Kirche von Sachsen-Anhalt kommen. Das Camp (www.netzwerk-flusslandschaften.de) findet auf Initiative des ehrenamtlichen Aktionsbündnisses seit 1993 jährlich statt. EPD
VON SVEN-MICHAEL VEIT
Ernst Paul Dörfler lacht kurz und trocken. „Hier fährt doch schon lange kein Schiff mehr“, sagt der Leiter des Elbeprojekts beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Magdeburg. „Eins oder zwei am Tag, aber leere. Beladene Schiffe kommen hier schon seit Anfang Juni nicht mehr vorbei.“ Denn die Elbe führt zu wenig Wasser für Binnenschiffe, dabei ist der Tiefststand ist noch lange nicht erreicht: Der kommt, weiß Dörfler, „immer erst Ende August oder Anfang September“.
Und deshalb will Hamburg gerne den Fluss ausbaggern lassen, diesmal aber den Oberlauf. Die gerade mal 100 Kilometer Unterelbe zwischen dem Hamburger Hafen und der Nordsee sind bereits mehrfach dem unterzogen worden, was die Wirtschaftsbehörde „Fahrrinnenanpassung“ nennt. Die nächste Elbvertiefung ist hier in Planung. Nun aber soll auch die Oberelbe – zwischen dem Stauwehr Geesthacht und Dresden – ganzjährig schiffbar gemacht werden. Das das sind gut 600 Kilometer.
Denn Hamburgs Wirtschaftssenator Axel Gedaschko (CDU) will den Anteil der Binnenschifffahrt an den so genannten Hinterlandtransporten mehr als verdoppeln: Es gelte, deren „Potenziale konsequent zu nutzen“, um Container und andere Güter vom Hamburger Hafen aus in der Republik zu verteilen. Dazu hat die Behörde jetzt eine Konzeptstudie in Auftrag gegeben.
Die Universal Transport Consulting GmbH (Uniconsult), ein in Hamburg residierendes und nach eigenen Angaben international tätiges „Unternehmen für integrierte Transportberatung“, soll dazu Vorschläge erarbeiten. Denn Binnenschiffe seien „der ökologisch beste Verkehrsträger“, sagt Gedaschko, und deshalb würden sie „in Zukunft im Elbstromgebiet eine viel wichtigere Rolle spielen“.
Für Manfred Braasch, Landeschef des BUND in Hamburg, gehört eine solche Studie „ins Reich der Absurditäten“. Ihm sei unbegreiflich, sagt Braasch, warum Politik und Wirtschaft „die für jeden sichtbare Wasserproblematik der Elbe ignorieren“. Nur bis zum Stauwehr Geesthacht wirke sich das von der Nordsee einströmende Hochwasser aus, oberhalb davon sei die Elbe „als natürlicher Niedrigwasserfluss in der meisten Zeit des Jahres nicht rentabel befahrbar“, sagt der BUND-Mann.
Zurzeit liegt nach amtlichen Angaben der Magdeburger Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost die tiefste Stelle der Fahrrinne nördlich der sachsen-anhaltinischen Hauptstadt beim Örtchen Niegripp mit 1,49 Meter, die flachste Stelle mit nur 90 Zentimeter liegt an der Saale-Mündung bei Barby, wo jetzt ein Umweltcamp gegen die Kanalisierung von Elbe und Saale seine Zelte aufgeschlagen hat (siehe Kasten). Und die Pegel gehen auf ganzer Flusslänge beständig zurück. So sank etwa in Lauenburg, wo die Elbe Schleswig-Holstein erreicht, der Wasserstand binnen einer Woche von 1,20 Meter am vorigen Dienstag auf 1,05 Meter am gestrigen Montag.
Voll beladene Binnenschiffe weisen allerdings einen Tiefgang von 2,10 bis 2,30 Metern auf, sagt Dörfler. Eine Fahrrinnentiefe von 2,50 Meter weist die Elbe den amtlichen Messungen zufolge nur an 111 Tagen im Jahr auf. Die Ladungsstatistiken belegen deshalb, wie selten nur voll beladene Schiffe auf der Oberelbe tuckern: Im Durchschnitt haben die Frachter hier mit 300 bis 400 Tonnen gerade mal ein Drittel ihrer Kapazität geladen. „Selbst unter tschechischer Flagge zu Billiglöhnen ist das unwirtschaftlich“, sagt Dörfler. Auch die Magdeburger Wasser- und Schifffahrtsdirektion nennt erst Fahrrinnentiefen ab 2,30 Metern wirtschaftlich nutzbar.
„Die Schiffbarkeit der Elbe stromaufwärts ist der Haupthinderungsgrund für den verstärkten Einsatz der Binnenschifffahrt im Container-Hinterlandverkehr“, heißt es denn auch in einer Strukturanalyse der Hamburger Hafenverwaltung Port Authority (HPA). Sie besagt zudem, dass im Jahr 2006 lediglich 94.000 Container – etwa zwei Prozent des Gesamtaufkommens – landseitig zum oder vom Hamburger Hafen transportiert wurden. Ein Drittel fuhr per Bahn, knapp zwei Drittel karrten LKWs herum.
Für die Umweltschützer vom BUND lautet die Konsequenz deshalb nicht, den Fluss auszubaggern und zu kanalisieren. „Die Container müssen klimaschonend mit der Bahn transportiert werden“, sagt Manfred Braasch. Ernst Paul Dörfler ergänzt, „dass es ausreichende Kapazitäten dafür auf dem sanierten ostdeutschen Schienennetz“ gebe. Das finden die integrierten Transportberater von Uniconsult ja vielleicht ebenfalls heraus. Und denen glaubt vielleicht sogar die Hamburger Wirtschaftsbehörde.