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Archiv-Artikel

„Je härter das Milieu, desto mehr Abfall“

In Innenstadtparks fällt viel mehr Müll an als am Stadtrand, sagt Landschaftsarchitekt Carlo Becker. Aber auch die schlechte Pflege durch die Bezirke aufgrund von Geldnot führe zu schlechter Behandlung durch die Besucher

CARLO W. BECKER, 51, ist Mitinhaber des Landschaftsarchitektenbüros bgmr. Es plante mehrere Parks und Spielplätze in Berlin.

taz: Herr Becker, gehört zum Planen öffentlicher Grünanlagen auch das Nachdenken über die Abfallentsorgung?

Carlo Becker: Selbstverständlich. Parkanlagen werden ja nicht entworfen, damit man am Tag der Eröffnung ein schönes Foto machen kann. Sie werden jahrzehntelang genutzt. Müllentsorgung ist deshalb ein wesentliches Thema bei der Planung. Mit dem Planen programmieren wir eine bestimmte Nutzung von Grunflächen vor: Liegeflächen ziehen eher Jugendliche, Blumenrabatten eher SeniorInnen an. Wenn man einen Grillplatz einplant, weiß man, dass viel Müll, vor allem an den Wochenenden, anfallen wird. Wenn man eine Vorstellung davon hat, wer eine Anlage künftig nutzen wird, kann man auch überlegen, was für Müllanlagen benötigt werden.

Was ist da möglich?

Es gibt zwei grundverschiedene strategische Ansätze. Der eine: Man verzichtet ganz bewusst auf die Bereitstellung von Abfallbehältern in öffentlichen Parkanlagen und hofft damit an das Umweltbewusstsein der NutzerInnen zu appellieren, die ihren Müll mit nach Hause nehmen sollen. Der andere: Man bietet so viele Entsorgungsmöglichkeiten an, dass jeder Parkbesucher seinen Müll auf kurzem Weg entsorgen kann, und hofft damit zu verhindern, dass Müll in der Landschaft rumfliegt.

Welche der beiden Lösungen bevorzugen Sie?

Wir sehen zu, dass wir bei den Anlagen, die wir in Berlin planen und gestalten, vor allem im innerstädtischen Bereich und mit hoher Nutzungsintensität, Abfallbehälter anbieten. Bei Anlagen in Stadtrandbereichen kann man eher darauf verzichten, weil man davon ausgeht, dass die mehr von Ausflüglern genutzt werden, die nicht mit Pizzakartons vom Imbiss kommen, sondern eigenen Proviant mitbringen. Die eher auf den Raum eingestellt sind.

In Innenstadtparks gibt es also mehr Müllliegenlasser?

Das kann man grob so sagen. Das Umweltbewusstsein ist in verschiedenen Wohngegenden unterschiedlich: Je härter das Milieu ist, desto mehr Abfallentsorgungsangebote sollte man machen. Es geht in Parks ja schließlich auch um Schönheit: Wer einen Ort betritt, der ungepflegt und vermüllt ist, lässt selber eher noch was liegen. Wenn ich an einem ordentlichen Ort bin, habe ich eine höhere Hemmschwelle.

Sie sind also eher pro Mülleimer. Aber da gibt es dann ja noch viele verschiedene Möglichkeiten und Konzepte. Wie geht Ihre Planung weiter?

Man muss sich zum Beispiel Gedanken darüber machen, welche Art von Müll anfällt – eher Eispapier oder größere Tüten mit Picknickresten? Andererseits wollen wir niemanden animieren, seine Mülltüten von zu Hause im öffentlichen Park abzuladen – zu groß dürfen Müllbehälter deshalb auch nicht sein. Außerdem ist die Frage wichtig, wo Mülleimer stehen sollen. In der Nähe von Kinderspielplätzen etwa bedeuten Abfalleimer erhöhte Wespengefahr. Müll soll dort aber auch nicht herumliegen. Also müssen wir überlegen: Wo sind die Ein- und Ausgänge der Anlage? Ist es sinnvoll und ausreichend, dort Müllbehälter aufzustellen? Dann muss über die Entsorgung durch die Grünflächenämter nachgedacht werden: Kann man die Behälter mit dem Fahrzeug anfahren oder muss man zu Fuß gehen? Das ist ja auch eine Kostenfrage: Abfallentsorgung kostet richtig Geld.

Die Kosten für die spätere Entsorgung berücksichtigen Sie also bereits bei der Planung?

Ja. Es gibt Pflegekategorien für die Berliner Parks, an denen ich erkennen kann, wie viel Euro pro Quadratmeter später für die Pflege einer Grünanlage aufgewendet werden wird. Das sind zwischen 60 Cent und 2,20 Euro pro Quadratmeter und Jahr. Innenstadtanlagen bekommen mehr als solche am Stadtrand.

Das klingt nach wenig.

Darüber, dass das zu wenig ist, sind sich in Berlin eigentlich alle einig, die mit öffentlichen Grünflächen zu tun haben. Mit Ausnahme des Finanzsenators.

Und gespart wird dann bei der Müllentsorgung?

Das ist eine Entscheidung der Bezirksämter. Wenn ich weiß, wie viel oder besser wie wenig Geld ich für eine Anlage habe, kann ich Prioritäten setzen: Mähe ich den Rasen? Pflanze ich Blumen? Oder entsorge ich Müll? Wenn ich keine Müllentsorgung anbiete, habe ich mehr Geld für die Pflege der Parkanlagen. Es kann aber sein, dass es später teurer wird, weil ich den Müll aus der Parkanlage klauben muss.

INTERVIEW: ALKE WIERTH