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Archiv-Artikel

Der etwas andere Elbvorort

Der Hamburger Stadtteil Rothenburgsort ist wenig populär. Dabei ist er nur ein Steinwurf von der Innenstadt entfernt. Ein Rundgang mit den Stadtteilagenten der Rothenburgsort-Tours durch Hamburgs wilden Osten

Touren in und um Rothenburgsort

Rothenburgsort für Einsteiger: Ein Rundgang, um den Stadtteil besser kennen zu lernen; mit Einblicken in die Geschichte und Ausblicken in die Zukunft. Wasserkunstinsel Kaltehofe: Info-Spaziergang um die ehemalige Trinkwasseraufbereitungsanlage zwischen Elbe und Billwerder Bucht. Drei Wege Wilhelmsburg: Fahrradtrilogie von Harburg nach Rothenburgsort durch bäuerliche Kulturlandschaften, hin zu maritimem Flair abseits der Touristenströme. Des Hafens südliche Nordseite: Fahrradkreuzfahrt von Rothenburgsort zur Veddel – eine Tour durch Industrie und Natur.

VON RABEA WACHSMANN

Die drei Stadtteilagenten sitzen am Wasser. Vor ihnen liegt das Elbsperrwerk Kaltehofe, im Hintergrund zeichnet sich die Silhouette des Heizkraftwerks Tiefstack ab. Ingo Böttcher, Jörg von Prondzinski und Michael Heitmeier zählen die gängigen Vorurteile über Rothenburgsort auf: Da war man noch nie, außer man musste sein Auto aus dem Autoknast befreien, niemand weiß eigentlich genau, wo es liegt, jede Menge Ex-Schill Partei Wähler und ein hoher Ausländeranteil.

Darauf begrenze sich das Wissen über den Stadtteil, der nur einen Steinwurf vom Michel entfernt liegt. „Die Wahrnehmung hört an den Elbbrücken auf, dabei sind es von hier nur 4.000 Meter bis zur Stadtmitte“,sagt Böttcher, der als Journalist arbeitet. Diese Wahrnehmung wollen die selbst ernannten Stadtteilagenten ändern – mit alternativen Stadtrundgänge in und um Rothenburgsort. Zu Fuß oder per Fahrrad. „Viele Leute denken, der Hafen ist an den Landungbrücken. Der ist aber ganz woanders,“ sagt der Biologe Prondzinski. Hier im Mündungsdreieck von Elbe und Bille schippern weder Containerriesen noch Kreuzfahrtschiffe vorbei. Daran hindert sie die Elbbrücke. Binnenschiffer ziehen ihre Bahnen, transportieren Kohle zum Kraftwerk und schiffen Schrott weg. Gegenüber der Kupferschmelze beult eine Containerklopperei Container aus.

Am Eingang zum Park Entenwerder patroulliert Polizei. Hier wollten die Klimacamp-Teilnehmer ursprünglich ihre Zelte aufschlagen. „Wir hatten mit Straßenschlachten gerechnet“, sagt Böttcher nicht wirklich überzeugt. „Letztens war sogar das Binnenkreuzfahrtschiff Mona Lisa da“, wirft Prondzinski ein. Am Wochenende hüpften „Luden mit dicken Booten“ über die Bille. Und bei der nahe gelegenen Slipanlage ließen Greenpeace wie Polizei ihre Schlauchboote ins Wasser, um später in Moorburg wieder aufeinander zu treffen. „Hier ist schon auch was los“, sagt Prondzinski.

Auf den Stadtrundgängen erfährt man „Döntjes, aber auch viel Geschichte “, sagt Heimeier, der Dritte im Bunde. Rothenburgsort ist Teil der Flussmarsch, hier wurde der Hafenbeckenaushub aufgeschüttet, um Land zu gewinnen.

Die Gruppe besteht aus insgesamt sieben StadtteilagentInnen. Sie hätten sich vorgenommen, den Blick für die Stadtteile zu schärfen „die in vielen Augen so ein bisschen bäh sind“, sagt Prondzinski. Der Stadtteil werde zu oft fremdgesteuert dargestellt, von Leuten, die gar nicht in Rothenburgsort lebten. Ihr Motto lautet daher: Nicht andere darüber reden lassen, sondern selbst erzählen. Zum Beispiel von der Flussbadeanstalt Kaltehofe. „Hier haben die Leute früher schwimmen gelernt, bis 1960 war sie sogar noch in Betrieb,“ erzählt Böttcher. Und es ließe sich hier noch immer wunderbar schwimmen. So erzähle auch Rothenburgsorts wohl bekanntester Sohn Uwe Seeler in seinen Memoiren die Anekdote der Mutter, die sich regelmäßig per Kopfsprung von den Elbbrücken stürzte. Das Hygieneinstitut bescheinige dem Elbwasser bei Rothenburgsort eine mittlere Badequalität. „Die vom Eichbaumsee ist weitaus schlechter, als hier, und da schwimmen alle,“ sagt Böttcher. Man müsse nur mit der Strömung umzugehen wissen.

Rothenburgsort ist mit seinen 4.000 Metern Abstand zum Michel ein optimaler Fahrrad-Treffpunkt für Sonntagsausflügler. Man muss nur die verkehrsreiche Amsinckstraße runterfahren, bis man zur achtspurigen Billhorner Brückenstraße gelangt. Dann die Fahrbahn passieren und einmal gegen die Fahrtrichtung die Autobahnausfahrt abfahren. Dabei bitte möglichst keinen Unfall produzieren – für die Zukunft wünschen sich die Stadtteilaktivisten einen gut an die Stadtmitte angebundenen Radweg. Unter dem Stichwort „Oberhafen Connection“ werde das Thema im Koalitionsvertrag geprüft, sagt Böttcher. Die ideale Verbindung ist auch schon ausgemacht. Am Großmarkt „gibt es eine dicke fette Straße am Wasser, herrlich um da lang zufahren“. Man müsste nur einen Zaun zum Großmarktgelände ziehen und man hätte die perfekte Verbindung.

Der Unternehmer Thomas Friese hat andere Pläne mit Rothenburgsort. Ein Schwimmbad auf der Elbe, ähnlich dem an der Alster geplanten. Im Elbpark Entenwerder soll ein Super-Skatepark entstehen. „Man könnte ja mal eine Stadtentwicklungspolitische-Theorie-Tour dazu machen“, fällt den drei Agenten dazu ein. Sie wünschen sich für die Zukunft einfach nur mehr Identifikation mit dem Stadtteil: „Keine Bürgerbespaßung, sondern dass man den Stadtteil so wahrnimmt, wie er ist und in Teilen auch so lässt.“