: HSV kriegt mehr neue Trainer als Spieler
Beim DFB-Pokalspiel gegen Ingolstadt erzielt die Mannschaft mit Mühe ein 3 : 1. Sportchef Beiersdorfer reist auf der Suche nach unbekannten Spieler-Talenten durch die Welt. Trainer Maarten Jol holt sich eigene Leute in seinen Stab
Fußballmannschaften sind nie fertig, aber so wenig fertig wie der Hamburger SV ein paar Tage vor dem Saisonstart am Freitag beim FC Bayern München, das ist selten. Ein, zwei, drei Spieler könnten noch kommen. Das irritiert HSV-Trainer Maarten „Martin“ Cornelis Jol nicht. „Nein, warum soll es mich irritieren, wenn ich noch Geschenke bekomme?“, fragt Jol. Geschenke braucht er dringend, denn er weiß, wie viele Tore der für etwa 15 Millionen Euro Ablösesumme zu Real Madrid abgewanderte Rafael van der Vaart vergangene Saison für den HSV erzielt, und wie viele er vorbereitet hat: „Wir haben 60 Prozent unserer Produktivität verloren“, sagt Jol. Und Produktivität war, trotz van der Vaart, die Schwäche des HSV.
Das war auch am Samstag so, beim DFB-Pokalspiel gegen den ehrgeizigen und mit viel Geld des Sponsors Audi ausgestatteten FC Ingolstadt. Der HSV gewann mit Mühe 3 : 1 durch zwei Tore von Ivica Olić (52., 54.) und eines von Paolo Guerrero (90). Ersin Demir hatte Ingolstadt in der 33. Minute in Führung gebracht.
Der HSV kann sich nicht jedes Geschenk leisten. „Wir suchen Spieler, die gut sind, aber in Europa noch keinen großen Namen haben“, kündigt Jol an. Das klingt nicht nach Roman Pawljutschenko (Spartak Moskau), der ebenso wie sein Kollege von der russischen Nationalmannschaft, Andrei Arschawin (Zenit St. Petersburg), einen neuen Club sucht. Arschawin soll für 24 Millionen Euro Ablöse bei Jols Ex-Club Tottenham unterschrieben haben. Viel billiger wird auch Pawljutschenko nicht sein.
Dietmar Beiersdorfer, der sportliche Leiter des HSV, erscheint dieser Tage unrasiert, was dafür spricht, dass er viel unterwegs ist. Während Beiersdorfer reist, tut Jol das, was in seiner Macht steht: Am Donnerstag bildeten die Spieler mitten im Training einen Kreis. Jol ernannte den defensiven Mittelfeldspieler David Jarolím zum neuen Kapitän und Nachfolger van der Vaarts. „Alle Spieler haben gelacht, geklatscht und ihm gratuliert“, sagte Jol. Innenverteidiger Joris Mathijsen wurde Jarolíms Stellvertreter.
Bevor die van der Vaart-Ablöse hereinkam, investierte der HSV mehr Geld in den Trainerstab als in neue Spieler. Neue Kicker sind der offensive Mittelfeldspieler Jonathan Pitroipa – 22, technisch hochbegabt, schnell, doch mit körperlichen Defiziten – und der defensiv vielfältig einsetzbare Dennis Aogo, 21, beide vom SC Freiburg.
Zwei neue Spieler, vier neue Trainer: Ricardo Moniz, den Jol von Tottenham kennt, feilt an der Technik. Zeljko Petković, ist Jols Co-Trainer. Petković spielte unter Jol beim niederländischen Club RKC Waalwijk und wurde dessen Nachfolger. Cornelius, Martin Jols Bruder und von Hause aus Deutschlehrer, ist, wie bei Tottenham, des Chefs persönlicher Assistent. Neu ist auch Konditionstrainer Michael Lindemann, der bei der EM für Polens Nationalelf tätig war.
Die neuen Trainer kosten sechs Millionen Euro im Jahr. Jol selbst verdient mehr als Huub Stevens, der 1,2 Millionen bekam. Zusammen mit den gebliebenen Claus Reitmaier (Torwarttrainer), Markus Günther (Reha-Trainer) und Manfred Düring (Leistungsdiagnostiker) wuchs der Trainerstab auf sieben Leute an.
Ein Problem macht Jol zu schaffen. Die zweite Mannschaft des HSV hat sich nicht für die Dritte Liga qualifiziert. Sie kickt in der Regionalliga. Das führt dazu, dass einige der begabten, jungen Spieler – etwa Sidney Sam, Änis Ben-Hatira, Macauley Christantus – verliehen werden müssen, um Spielpraxis zu bekommen. Das ist das Gegenteil eines Geschenks. ROGER REPPLINGER