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Archiv-Artikel

„Die Entlastung der Straßen ist marginal“

Warum Binnenschifffahrts-Förderung ökologisch unsinnig sei, erklärt der Fluss-Experte des BUND, Winfried Lücking

Von HB

WINFRIED LÜCKING, 58, Biologe, leitet das Flussbüro des Bunds für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND).

taz: Herr Lücking, Binnenschiffe haben den Ruf, die ökologischsten Lastenträger zu sein – zu Recht?

Winfried Lücking: Nein. Die Bahn ist diesbezüglich vielfach im Vorteil – nicht nur wegen der verheerenden Beschädigungen der Flussökologie durch Ausbaumaßnahmen. Der Kraftstoffverbrauch ist bei beiden Verkehrsträgern in etwa gleich, aber die Emissionswerte der Binnenschifffahrt sind äußerst schlecht. Der Flottenbestand ist vielfach älter als 50 Jahre, entsprechend ineffizient die eingesetzte Verbrennungstechnik.

Sind die Studien denn eindeutig? Der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB) zitiert eine, wonach der Lastverkehr per Binnenschiff rund ein Drittel weniger Energie kostet als per Bahn.

Je nach Ansatz weisen die Untersuchungen leichte Unterschiede auf, unterm Strich ist von einem ähnlichen Verbrauch auszugehen. Der BDB hingegen lässt den Energieaufwand der Schleusenvorgänge vollkommen außer Acht – und Schleusen gibt es viele auf den Bundeswasserstraßen.

Die Bremer Grünen vertreten trotzdem, dass die Vorteile einer gesteigerten Binnenschifffahrt auf der Weser die ökologischen Nachteile der Fluss-Anpassung deutlich überwiegen.

Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen – die Entlastung der Straßen durch Binnenschiffe ist marginal. Die logistische Alternative für deren Massengüter sind in aller Regel nicht LKW, sondern Waggons. So lange die Bahn also freie Kapazitäten hat – was mit Ausnahme der Rheinstrecke so gut wie überall der Fall ist – gehören die Güter dorthin.

Halten Sie Fluss-Anpassungen unter keinen Umständen für vertretbar?

Der einzige deutsche Fluss, auf dem Binnenschifffahrt Sinn ergibt, ist, wie gesagt, der Rhein. Es ist übrigens auch eine Frage der Wirtschaftlichkeit: Für die 1,2 Millionen Tonnen, die pro Jahr auf der Elbe transportiert werden, sind Unterhaltsleistungen von 40 Millionen Euro erforderlich. Hier stellt sich die Frage, ob dies noch volkswirtschaftlich vertretbar ist. Und trotz aller Flussausbauten, trotz zahlreicher Kostenvorteile der Binnenschifffahrt wie der kompletten steuerlichen Befreiung der Kraftstoffkosten oder der Einführung der LKW-Maut haben sich die prognostizierten Zuwachserwartungen nie erfüllt. Neben dem Rhein eignen sich lediglich die Kanäle für eine sinnvolle Binnenschifffahrt. Interview: HB