: Ein verspätetes Umweltparadies
Auch im Hinblick auf ökologische Entwicklung könnten sich die Spiele positiv auswirken. Von THOMAS HEBERER
„Grüne“ Spiele und schönes Wetter hatte Peking für die Olympischen Spiele versprochen. Westliche Medien beklagen nun den fortgesetzten Smog in der Stadt. Möglicherweise liegt hier wieder ein begriffliches Missverständnis vor. „Grün“ wird in China meist mit Begrünung, der Anlage von Grünflachen, gleichgesetzt – und weniger auf die Luft bezogen. Selbst die chinesische Übersetzung des Begriffs „nachhaltige Entwicklung“ („kechixu fazhan“) entspricht nicht dem, was im Westen darunter verstanden wird: eine Entwicklung, die mit der Umwelt in Einklang steht. Der chinesische Begriff bezieht sich eher auf die Dauerhaftigkeit von Entwicklung. Erst der 17. Parteitag der KP hat im letzten Jahr das „wissenschaftliche Konzept von Entwicklung“ formuliert, das Entwicklung mit sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit verbinden soll.
Auch wenn kaum abschätzbar ist, ob die Vorbereitung der Spiele dazu beigetragen hat, das Umweltbewusstsein in Politik und Gesellschaft zu erhöhen: Die politische Führung ebenso wie die Bevölkerung in den Metropolen Ostchinas nehmen die ökologischen Probleme seit geraumer Zeit als gravierend wahr. Allein 2005 soll es laut Umweltbehörde 510.000 Konflikte gegeben haben, die auf Umweltproblemen basierten, 70 Prozent davon gingen von Bauern aus. Speziell unter der akademischen Jugend wachsen das Umweltbewusstsein und das Engagement in studentischen Umweltgruppen. 2006 soll es an 176 Universitäten in 26 Provinzen solche Gruppen gegeben haben.
Dennoch sollte all dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass nur wenige Chinesen sich bisher für das Thema Umwelt interessieren und wissen, welchen Beitrag sie selbst zum Umweltschutz leisten können. Auch fehlt das Verständnis für die regionale bzw. globale Dimension von Umweltproblemen in der Bevölkerung weitgehend. Solange nicht explizit politische oder politisch brisante Ziele verfolgt werden, unterstützt der Zentralstaat Initiativen und NGOs, weil sie auf lokaler Ebene Fragen aufgreifen, die der Staat nicht zu lösen vermag. Sie sollen zur Lösung konkreter sozialer Probleme beitragen. Gleichwohl kommen NGOs häufig in Konflikt mit lokalen Behörden, wenn sie Probleme aufgreifen, die die Pfründen oder Interessen lokaler Funktionäre beeinträchtigen.
Als eine Hoffnung und ein Ausweg aus der Ressourcen- und Klimaproblematik gilt die stärkere Nutzung erneuerbarer Energien. Die chinesische Regierung steht einer solchen Entwicklung durchaus positiv gegenüber. Bereits im März 2005 verabschiedete das chinesische Parlament ein Gesetz über erneuerbare Energien. Bis 2020 sollen 15 Prozent der Energienutzung auf Sonne, Wind und Wasserkraft basieren, gegenwärtig sind es etwa 8 Prozent. Neben dem Bestreben nach mehr Energieeffizienz und dem verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien forciert Chinas Führung auch den Einsatz neuester und klimaschonender Technologien. Hinzu kommen innovative Projekte etwa im Bereich Stadtplanung und Gebäudetechnik, die sich energieschonend auswirken sollen. In vielen Regionen wird mit „Ökostädten“, „Ökohochhäusern“ und „Ökoindustrieansiedlungen“ experimentiert. Insofern ist China derzeit nicht nur eine Belastung für das globale Ökosystem, sondern auch ein Versuchslabor für ökologische Lösungsansätze. Die westlichen Industriestaaten könnten China hier in technischer Hinsicht beim Einsatz erneuerbarer Energien und der Entwicklung von Know-how zur Rückbildung bestehender Umweltschäden unterstützen. Zweifellos hat die Vorbereitung der Spiele die Problematik insgesamt stärker in den Blickpunkt gerückt, vor allen in den Austragungsorten. Die könnten daher zu Umweltmodellen werden. Dann hätten die Spiele zu einer positiven Entwicklung beigetragen.
Prof. Thomas Heberer, 60, lehrt Politik Ostasiens an der Uni Duisburg-Essen