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Archiv-Artikel

Müggelsee wird tropisch

Eine Langzeitstudie zeigt, dass sich der Müggelsee immer mehr erwärmt. Schuld sind der globale Klimawandel – und das Ende des Braunkohletagebaus

VON NINA APIN

Der Müggelsee erwärmt sich rapide – in den letzten 30 Jahren erhöhte sich die Wassertemperatur in Berlins größtem See um mehr als 2 Grad Celsius. Gleichzeitig verkürzte sich der Zeitraum, in dem Eis entstehen kann, um 20 Tage. Die Folgen: ein zu früher Frühlingsanfang und extremer Blaualgenbefall im Sommer.

Zu diesem alarmierenden Ergebnis kommen Langzeitstudien des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), deren erste Bilanz am Freitag öffentlich gemacht wurde. Die gravierende ökologische Veränderung des Müggelsees belege die „massiven Auswirkungen“ des globalen Klimawandels, sagte Rita Adrian vom IGB.

Seit dreißig Jahren messen die Wissenschaftler im Müggelsee ökologische Parameter wie Sauerstoffgehalt und Wassertemperatur. „So genaue und langfristige Datenreihen gibt es nur von wenigen Gewässern weltweit“, so Forscherin Adrian. Besorgniserregend sei im nur 8 Meter tiefen Müggelsee die Veränderung der Nährstoffsituation, die vor allem durch Lufterwärmung, aber auch durch starke Düngung von umliegenden Feldern entstehe. Davon profitierte vor allem die an hohe Temperaturen gewöhnte Blaualge, die große Kolonien bilde. Die seien „nicht mehr fressbar“, somit vermehre sich die Alge ungehindert und verleide Menschen das Baden.

Experten beobachten auch den Stechlinsee in Brandenburg. „Obwohl er mit 68 Metern viel tiefer ist als der Müggelsee, konnten wir auch dort eine markante Erwärmung feststellen“, sagt Dieter Gerten vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK), das an einigen der Studien beteiligt ist. Gerten prognostiziert langfristig eine weitere Gewässererwärmung in Mitteleuropa mit weitgehend eisfreien Wintern, früher Algenblüte und einer starken Temperaturschichtung im Hochsommer: oben warm, unten kalt.

Marie Luise Dittmar, Sprecherin von Umweltsenatorin Karin Lompscher (Linke), zeigt sich überrascht von den Ergebnissen der Studie. Im Auftrag der Umweltverwaltung durchgeführte Tests hätten ergeben, dass der Müggelsee sich auf dem Weg der Erholung befinde. Die Wasserqualität sei besser als vor zwanzig Jahren. Dittmar vermutete, die Wassererwärmung hänge vor allem von „Veränderungen im Spreezufluss“ ab. Seit dem Rückgang des Braunkohletagebaus fließe weniger Spreewasser durch den Müggelsee. Durch die geringere Durchflussmenge habe sich der See zu einem stehenden Gewässer entwickelt, das sich leichter erwärme.

Dem widerspricht Klimaforscher Gerten: „Im Gesamtvolumen des Sees ist der Durchfluss nur ein kleiner Faktor. Die Erwärmung ist vor allem auf den globalen Temperaturanstieg zurückzuführen.“ Um über den Tellerrand zu schauen, haben sich Berliner und Brandenburger Forscher dem Netzwerk Gleon (Global Lake Ecological Observatory Network) angeschlossen.