Hauptstadt der Versuchskaninchen

350.000 Tiere sterben 2007 bei Versuchen in den Universitäten und an der Charité – fast doppelt so viele wie vor sieben Jahren. Warum das so ist, sagt der Senat nicht

Die Zahl der Tierversuche in Berlin steigt rapide an: Im Jahr 2007 starben 349.240 Tiere, das sind rund 50.000 mehr als noch ein Jahr zuvor. Medizinische Forschung kann nach Ansicht des Senats „auch nicht gänzlich auf Tierversuche verzichten, wenn sie international wettbewerbsfähig sein will“, heißt es in der am Samstag veröffentlichten Antwort der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf eine kleine Anfrage des Abgeordneten Daniel Buchholz (SPD). Eine Erklärung dafür, dass die Zahl der Tierversuche über die Jahre kontinuierlich anstieg – im Jahr 2000 starben gut 200.000 Tiere –, liefert der Senat jedoch nicht. 12 Prozent der Tiere, die bei Tierversuchen in Deutschland sterben, sterben in Berlin – das ist deutlich überdurchschnittlich viel, schließlich wohnen hier nur 4 Prozent der Bevölkerung.

Die Wissenschaftler und Studierenden an der Freien Universität, der Humboldt-Universität und der Charité töteten laut dem Landesamt für Gesundheit und Soziales hauptsächlich Mäuse und Ratten, aber auch 303 Hunde, 1.162 Hamster, 1.011 Schweine, 300 Schafe, 347 Meerschweinchen, 104 Affen, 2.160 Vögel, 1.794 Fische sowie 9 Pferde und Esel. 420 Kaninchen, Affen und Hunde überlebten und wurden für einen erneuten Tierversuch verwendet. 127.199 der Tierversuche fanden entweder ganz ohne Betäubung statt, oder die Tiere erwachten aus der Betäubung wieder.

Der Tod der Tiere dient zum Beispiel der Grundlagenforschung – wenn es etwa darum geht, komplexe Wechselwirkungen innerhalb des Gesamtorganismus eines Tiers besser zu verstehen. An anderen Tieren werden Medikamente ausprobiert, die später Krankheiten von Menschen heilen sollen. Hier sind Tierversuche zum Teil sogar gesetzlich vorgeschrieben.

Der SPD-Abgeordnete Buchholz fordert, dass sich Berlin „möglichst schnell zu einem echten Kompetenzzentrum für tierversuchsfreie Forschung wandelt. Dies brächte den Forschungsstandort Berlin nach vorn und ersparte zugleich vielen tausend Tieren unnötige Leiden und Schmerzen.“ Der Senat verweist darauf, dass bereits der Bund und die EU die Erforschung von Alternativen zum Tierversuch mit viel Geld fördern, und hält „eine spezielle Förderung aus Landesmitteln für unrealistisch“. SEBASTIAN HEISER