Werbung an Grundschulen erlaubt

Die Bremer Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) verschickt Elternbriefe zur Einschulung und lässt sie sich vom „Weser Kurier“ bezahlen – die Zeitung darf dafür in dem Brief für ihre informativen Berichte zum Schulanfang werben

VON FELIX ZIMMERMANN

Es ist ein netter Brief, der den Eltern der diesjährigen Erstklässler vor einigen Tagen ins Haus flatterte, verschickt von der „Senatorin für Bildung und Wissenschaft, 28195 Bremen“. Die Einschulungsfeier werde „sicher für alle ein schönes Erlebnis werden“, die Schule freue sich auf die Neuen „und wird sie herzlich begrüßen“, steht dort.

Der Brief stellt den Zentralelternbeirat als „Anlaufstelle für alle Eltern“ vor, und regt an, dass diese sich im Elternbeirat ihrer Schule oder dem Schulförderverein engagieren. Auch die Warnung vor Gefahren im Straßenverkehr fehlt nicht, weshalb die Aktionen der Landesverkehrswacht zu beachten seien.

Wirklich nett, der Brief, die Eltern der 3.900 Erstklässler werden sich über die persönliche Begrüßung und die Begleitung in die neue Lebensphase ihrer Kinder gefreut haben. Freude dürfte darüber hinaus auch im Hause von Bremens größter Tageszeitung geherrscht haben, dem Weser Kurier. Denn auch er wird in dem Schreiben mit wohligen Worten den Eltern ans Herz gelegt: „Aktuelle Informationen bietet Ihnen zu Beginn des Schuljahres der Weser Kurier, der nützliche Hinweise und Tipps für Sie zusammenstellt.“ Chefredakteur Volker Weise durfte den Brief auch gleich mit unterschreiben, ebenso wie Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD), Gisela Fröhlich als Vorsitzende der Landesverkehrswacht und Zentralelternbeirats-Vorsitzende Antje Moebus.

Bis Montagmittag wollte im Bildungsressort niemand etwas an dieser unverhohlenen Werbung für den Weser Kurier auszusetzen haben. Jürgens-Piepers Sprecherin Karla Götz, die den Brief Korrektur gelesen hatte, teilte mit, wie zufrieden man in ihrem Hause mit dieser Kooperation sei: Nur so sei es der Senatorin möglich gewesen, allen Eltern etwas Nettes zu sagen und ihnen wichtige Tipps für den Schulstart zu geben. Der Weser Kurier nämlich übernahm die Kosten für den Briefversand. Dafür durfte die Zeitung auf ihre Serie zum Schulbeginn hinweisen, außerdem teilte die Behörde der Redaktion die Einschulungstermine mit, damit die ihre Fotografen dorthin schicken konnte. Die Bilder aller Klassen werden in einer Beilage des Weser Kuriers der Zeitung beiliegen. Götz nennt das eine „klassische Win-Win-Situation“, die bereits seit vier Jahren praktiziert werde. Fragwürdig fand sie den Hinweis im Behördenschreiben auf die informativen Berichte des Weser Kuriers nicht.

Der Bremer Rechtsanwalt Oliver Heinz dagegen musste nicht lange überlegen, bis im ein analoger Fall einfiel, bei dem der Bundesgerichtshof (BGH) 2001 die Versendung von Elternbriefen durch das Bremer Sozialressort wegen eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht unterbunden hatte. Die Elternbriefe enthielten Erziehungsratgeber, die Versandkosten in Höhe von 60.000 Euro übernahm die Bremer Landesbausparkasse und legte Werbung mit Vorschlägen zur Baufinanzierung bei. Der BGH gab damals zwei Konkurrenten der Landesbausparkasse Recht, weil ihr „unter Ausnutzung amtlicher Autorität“ ein unlauterer Wettbewerbsvorteil eingeräumt worden sei.

Erst am Montag Nachmittag wurde im Bildungsressort doch noch einmal ernsthaft über den Brief und die dort festgeschriebene Nähe zum Weser Kurier gesprochen. Da hatte nämlich der für Schulen zuständige Referent des Landesdatenschutzbeauftragten, Harald Stelljes, die Senatorin auf ein weiteres Problem hingewiesen: Die Behörde hatte die Adressen der Erstklässler an den Weser Kurier gegeben, damit der die Briefe auf den Weg bringen konnte. Stelljes hält das für „höchst problematisch“, denn das Schuldatenschutzgesetz erlaube die Weitergabe von Adressen an nicht-öffentliche Stellen nur in bestimmten Ausnahmen – ganz sicher aber nicht für Werbezwecke. Zwar teilte das Bildungsressort mit, die Daten seien nur für diesen einen Anlass weitergegeben worden, aber das spiele keine Rolle, so Stelljes.

Nachdem er die Senatorin um Aufklärung des Sachverhaltes gebeten hatte, las man den Brief offenbar noch einmal genauer und leitete den Meinungsumschwung ein: Sie habe die Absenderzeile mit der Anschrift der Bildungsbehörde überlesen, das nehme sie auf ihre Kappe, sagte Karla Götz. Außerdem wolle man mit Staatsrat Carl Othmer beratschlagen, ob diese Briefaktion noch einmal wiederholt werden solle. Othmer hatte die Weitergabe der Daten zuvor für unproblematisch erklärt.