Aus wenig eine Menge gemacht

Wolfsburg kommt trotz spielerischer Überlegenheit gegen Eintracht Frankfurt nicht über ein 2 : 2 hinaus. Weil die Mannschaft in der letzen halben Stunde des Spiels die Zügel sträflich schleifen ließ

Von ROGER REPPLINGER

„Arte povera“ steht seit den 60er Jahren für eine Kunst, die gewöhnliche, alltägliche – eben „arme“ Materialien verwendete. Statt aus Marmor und Gold entstanden Skulpturen aus Fett, Erde, Filz, Glassplittern, Latten und Nägeln. Am Samstag sahen in Wolfsburg 23.150 staunende, verwirrte und ärgerliche Zuschauer Arte povera im Fußball. Es spielte der VfL Wolfsburg, Marmor und Gold, gegen Eintracht Frankfurt, deren Trainer Friedhelm Funkel schon als Spieler versuchte, aus wenig etwas Ansehnliches zu machen. Am Samstag gelang es wieder, denn die Eintracht holte beim 2 : 2 gegen Wolfsburg einen Punkt.

Funkel ließ seine Mannschaft, die in den ersten beiden Saisonspielen mit wackeliger Abwehr drei Gegentore kassiert hatte, mit zwei Manndeckern und einem Libero agieren. Habib Bellaid und Aarón Galindo deckten Edin Džeko und Grafite, dazwischen, bis zu seiner Verletzung, Marco Russ, nach dessen Auswechslung der Ex-Paulianer Chris, der vorher im defensiven Dreier-Mittelfeld mit Christoph Spycher (rechts) und Patrick Ochs (links) gespielt hatte.

Wahrscheinlich haben die meisten Wolfsburger Spieler noch nie in ihrem Leben gegen eine Mannschaft mit Manndecker und Libero gespielt. Rudi Bommer hatte es in der vergangenen Saison mit dem MSV Duisburg auch mal so versucht. Es dauerte, bis sich Džeko und Grafite darauf eingestellt hatten.

VfL-Kapitän Josué schenkte der Eintracht die Führung, als er Frankfurts Kapitän Ioannis Amanatidis einen Ball hinüber schob. Josué schlug die Hände vors Gesicht, Amanatidis schlug zu (22.). Allmählich kam Wolfsburg mit der ungewöhnlichen Grundformation der Frankfurter besser zurecht. Russ und Amanatidis mussten mit Verletzungen raus, für den neuen Libero Chris rückte der Japaner Junichi Inamoto ins defensive Mittelfeld, und der Grieche Nikolas Liberopoulos, ein Name, der irgendwie zum Spiel der Frankfurter passte, wagte nun das Solo im Sturm.

Die Schiedsrichter sind angehalten, Halten im Strafraum mit einem Elfer zu bestrafen. So kam Grafite nach einem Halten, das kaum eines war, in den Genuss eines Elfers, den er mit etwas Glück und dem rechten Fuß gegen Oka Nikolov verwandelte (27.). Den klaren Elfer, den Ricardo Costa an Amanatidis verschuldet hatte, übersah der schwache Schiedsrichter Marc Seemann (Essen).

Nun dominierte Wolfsburg das Spiel. „Wir haben eine Stunde gut gespielt“, lobte VfL-Trainer Felix Magath. Kurz vor Ende dieser Stunde fiel die Führung. Christian Gentner, mit VfL-Innenverteidiger Andrea Barzagli der beste Mann auf dem Platz, legte Außenverteidiger Marcel Schäfer den Ball per Hacke vor, der flankte, weit und präzise von links ans rechte Toreck. Dort sprang, mit erstaunlichen koordinativen Fähigkeiten, Ashkan Dejagah in den Ball (51.). Danach stellte Wolfsburg den Spielbetrieb ein. „Warum wir nicht weitergespielt haben, weiß ich nicht. Wir waren nervös, passiv und haben um das Gegentor gebettelt“, maulte Magath.

Die Frankfurter erhörten das Betteln. In der 84. Minute machte Faton Toski, nach Vorarbeit von Ochs, den Ausgleich. Dann jagte Gentner den Ball an die Latte (87.), aber es blieb beim Unentschieden, was die Wolfsburger unter den Zuschauern mit einem Pfeifkonzert quittierten. Ein gutes Zeichen. Die VfL-Fans haben Erwartungen an ihre Mannschaft, mit Arte povera sind sie nicht zufrieden.