: Es geht auch anders
betr.: „Scheinlösung Elektroauto“ von Bernward Janzing, taz vom 30. 8. 08
Dem Schluss-Absatz des Meinungstextes ist kaum zu widersprechen. Insgesamt stellt er aber die Elektromobilität (wohl infolge bestimmter Vorannahmen) zu undifferenziert dar.
Solange „der Markt“ verlangt, dass zum Transport von 75 Kilo Mensch von der Haustür zum Betrieb 1,5 Tonnen Technik mit einer Geschwindigkeit von über 150 km/h über Strecken zwischen 5 und 40 km erforderlich sind, ist es müßig, Elektroantrieb als Option zu verfolgen. Genau diese Option streben Daimler und RWE in Berlin jetzt mit Elektro-Smarts an.
Es geht auch anders. So leicht wie möglich, so schnell und geräumig und mit so viel Reichweite wie nötig. Ein Konzept dieser Art ist das dreirädrige TWIKE aus dem hessischen Rosenthal, das in seiner buckligen Heimat je nach Ausstattung zwischen 60 und 150 Kilometer Reichweite bei einer Dauergeschwindigkeit von rund 60 km/h bringt und dafür um die 6 Kilowattstunden Strom (oder weniger) zieht. Dächte man in einer Stadtverwaltung daran, vorerst mal eine Wohnstraße mit Ladestationen (etwa in Laternenmasten) auszustatten, wäre ein deutliches Zeichen für nachhaltige individuelle Mobilität gesetzt.
Damit ist, wie der Autor ganz richtig bemerkt, das Problem des MIV (motorisierter Individualverkehr) nicht gelöst, wenn davon ausgegangen werden kann, dass Elektromobile zu erschwinglichen Preisen auf den Markt kommen. Um den öffentlichen Verkehr so zu fördern, dass er auch für notorische AutomobilistInnen als Alternative wahrgenommen wird, bleibt viel zu tun: Zugänglichkeit der Haltepunkte; Lesbarkeit, Vertaktung und Frequenz der Fahrpläne; Transport sperriger Objekte wie Rollstuhl, Kinderwagen, Fahrrad; Abstimmung der Verbindungen zwischen verschiedenen Verkehrsangeboten (Bus, Straßen-/U-/S-Bahnen); Durchbindung umsteigefreier Fernverbindungen à la Interregio; übersichtliche und übergreifende Tarifgestaltung. Die Kosten sind durch Verzicht auf überteuerten Ausbau von ICE- und Autobahnstrecken im Verkehrs- und Straßenbauetat umzuschichten. Anzunehmen, dass Finanzministerien elegant die Treibstoffbesteuerung auf den Stromverbrauch umsatteln, übersieht, dass die fossilen Stoffe, die im Haushalt, dem Verkehr und der Wirtschaft derzeit noch in erheblichem Maße schlicht verbrannt werden, auch für andere Formen der Verwertung (Kunststoffe) nötig bleiben. Daher bleibt es sinnvoll, durch entsprechende steuerliche Gestaltung die Reserven zu strecken, d. h. den Verbrauch zu verteuern, Rezyklierung und Mehrfachnutzung zu fördern.
WOLFGANG GERSTER, Braunfels