Der Kampf der Kulturen

Falscher Protest aus der falschen Ecke gegen die erste große französische Jeff-Koons-Retrospektive in Versailles

Bereichernd wird die Ausstellung vor allem für den Luxusgüter- Magnaten François Pinault sein, der ein großer Koons-Sammler ist

Das Ereignis hat alle Ingredienzen für einen publikumswirksamen Skandal: Jeff Koons, einer der teuersten Starkünstler der Welt, zeigt 17 monumentale Skulpturen in Versailles, dem Schloss, das nach dem Sturz der Monarchie ein Sitz der französischen Klassik geblieben ist. Und prompt melden sich, anlässlich der ersten großen Retrospektive des US-Amerikaners in Frankreich, die selbsterklärten Verteidiger der „echten nationalen Werte“ zu Wort und schreien: „Sakrileg“. Sie fordern von der Kulturministerin und vom Staatspräsidenten ein „Verbot dieser Entweihung“ des französischen „Heiligtums“. und wollen deshalb am Mittwoch, kurz vor der Eröffnung der dreimonatigen Ausstellung, vor dem Schloss demonstrieren.

Die Ausstellung in Versailles ist ein Großereignis des französischen Kunstherbstes. Der US-amerikanische Künstler wird unter anderem einen Hasen aus Stahl, einen Hummer aus Plastik und einen knallbunten, aufgeblasenen Hund in den königlichen Sälen aufstellen. Im Schlossgarten von Versailles steht Koons’ zwölf Meter hohe Skulptur „Split-Rocker“. Rund um ein Metallgerüst sind 100.000 Blumen installiert. Das Ergebnis ist ein gigantischer Kopf – halb Drachen, halb Pferd.

Die Kritiker regen sich aber über „Cicciolina im Bett von Ludwig XIV“ auf, obwohl Koons kein Werk mit dem italienischen Pornostar zeigt. Sie wettern gegen den „Börsenspekulanten“ – Koons war auch einmal Trader –, der das Schloss von Versailles „beschmutze“. In einem Brief an Nicolas Sarkozy schrieb die Union nationale des écrivains de France in der vergangenen Woche von einem „offenen Krieg gegen Versailles“.

Die Schriftstellergruppe, die von sich selbst behauptet, 400 Mitglieder zu haben, spricht die Sprache von katholischen Fundamentalisten und Rechtsextremen. Aber auch im seriösen Stiftungsverein von Versailles stößt die Koons-Ausstellung auf wenig Gegenliebe. Edouard de Royère, Präsident der Stiftung: „Ich bin nicht gegen die zeitgenössische Kunst. Aber mich schockiert ihr Einbruch in einen magischen Ort wie Versailles.“

Für Jean-Jacques Aillagon, Exkulturminister und Museumsdirektor in Versailles, erinnern diese Proteste an eine „vergangenen Zeit“. Er verspricht, Koons in Versailles sei „erfrischend für den Blick und inspirierend für die Intelligenz“. Bereichernd wird die Ausstellung vor allem für François Pinault sein. Der französische Geschäftsmann und Kunstliebhaber ist ein großer Sammler der Werke von Koons. Als Direktor des Palazzo Grassi war Jean-Jacques Aillagon einmal sein Angestellter. Die Ausstellung stilisiert Pinault als Leihgeber zahlreicher Werke zum großen Mäzen. – Und steigert den Wert der Koons-Arbeiten in seiner Sammlung beträchtlich. Willkommen beim Sonnenkönig.

DOROTHEA HAHN