: „Das Recht zur Lüge“
Arbeitgeber dürfen bei Einstellungsgesprächen nicht nach Schwangerschaften fragen, sagt Arbeitsrechtler Martin Hensche. Tun sie es doch, dürfen Frauen falsch antworten
taz: Herr Hensche, eine Fleischfabrik lässt Frauen vor der Einstellung Baby-Tests machen lassen. Ist das erlaubt?
Martin Hensche: So wie die Firma den Fall darstellt, ist es nicht zu beanstanden. Sie sagt, der Test wäre freiwillig und es wäre keine der daran beteiligten Frauen nicht eingestellt worden. Und sie nennt einen sachlichen Grund. Schwangere dürfen gemäß Mutterschutzbestimmungen nicht starken physikalischen Belastungen wie Kälte ausgesetzt sein.
Wann wäre es denn nicht rechtmäßig?
Sobald eine Schwangerschaft auch nur mittelbar damit zu tun hat, dass ein Arbeitsverhältnis nicht beginnt oder fortgesetzt wird, ist dies rechtswidrig. Die Frau hätte nach Paragraf 15 des Gleichbehandlungsgesetzes Anspruch auf Entschädigung.
Müssen Frauen dem Chef sagen, dass sie schwanger sind?
Nein. Die ist laut Mutterschutzgesetz nur eine Soll-Bestimmung. Es gibt also keine Pflicht dazu. Viele wissen ja auch gar nicht, dass sie schwanger sind.
Dürfen Arbeitgeber nach einer Schwangerschaft fragen?
Die Frage danach in einem Bewerbungsgespräch ist unzulässig. Wenn eine Frau danach gefragt wird, hat sie das Recht zur Lüge. Ihr Vertrag kann später nicht wegen arglistiger Täuschung angefochten werden.
Und was ist, wenn der neue Arbeitsplatz gefährlich ist?
Auch dann ist die Frau nicht verpflichtet, im Bewerbungsgespräch ihren Zustand zu offenbaren. Sie muss eben für die Dauer der Schwangerschaft woanders eingesetzt werden. Geht das nicht, kann der Arzt ein Beschäftigungsverbot aussprechen. Dann bekommt sie weiter ihr Gehalt. Das wird von der Kasse erstattet, das ist geregelt. Das Problem für Frauen ist nicht, einen Job in der Fleischfabrik zu bekommen. Die Diskriminierung ist subtiler. Bei höher dotierten Jobs stufen Arbeitgeber Frauen, die Kinder haben, als weniger verlässlich ein. INTERVIEW: KAJ
MARTIN HENSCHE, 46, ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin. Mehr Informationen: www.hensche.de