constantin, raf etc.
: Sind so kalte Augen

Wenn Bernd Eichingers Produktionsfirma Constantin einen so genannten Ereignisfilm ins Kino bringt, stiftet dies Unruhe schon lange vor dem Starttermin. Uli Edels „Der Baader-Meinhof-Komplex“ bildet keine Ausnahme. Den Zugang dazu regulierte die Constantin, indem sie nur ausgewählte Journalisten zu einer Vorabvorführung am 14. August in München einlud; das Fußvolk – etwa die taz – hat erst morgen, acht Tage bevor „Der Baader-Meinhof-Komplex“ in die Kinos kommen wird, die Möglichkeit, den Film zu sehen. Wer das Privileg hatte, zur Sondervorführung eingeladen zu sein, sollte sich allerdings qua Vertrag verpflichten, bis wenige Tage vor dem Starttermin des Films keine Rezensionen zu veröffentlichen. Andernfalls drohe eine Konventionalstrafe in Höhe von 100.000 Euro. Der Deutsche Journalisten-Verband riet daraufhin, „unter solchen Bedingungen auf Berichterstattung zu verzichten.“

Das ist sehr anständig und zugleich sehr naiv, denn für diejenigen, die sich an die Spielregeln der Constantin halten, steckt viel Profit in der Sache. Wohlwollende Vorabberichterstattung, wie sie vergangene Woche im Spiegel und am Sonntag in der FAS zu lesen war, nutzt der Produktionsfirma. Es ist eine Win-win-Situation wie aus dem Bilderbuch. Dass die Autoren – Dirk Kurbjuweit, der Leiter des Spiegel-Hauptstadtbüros, und Frank Schirrmacher, Herausgeber der FAZ – als wichtig gelten, bezeugt wiederum die Wichtigkeit des Films: ein perfekter Zirkelschluss. Die Journalisten genießen den Vorteil, dass sie vor den Kollegen über den wichtigen Film publizieren. Damit bekräftigen sie ihre eigene Wichtigkeit und die ihres Mediums. Chefs schreiben über Chefsachen. Und weil sie früh am Start sind, kann niemand ihre Ausführungen am Gegenstand selbst oder an den Artikeln anderer messen.

Da macht es überhaupt nichts, wenn sich die Texte lesen, als wären sie im Delirium entstanden. In Schirrmachers Augen hat Bernd Eichinger ohnehin die Deutungshoheit über die deutsche Zeitgeschichte, so nimmt es nicht wunder, dass er zu dem Fazit kommt, der Film habe „womöglich die Kraft, die gesamte RAF-Rezeption auf eine neue Grundlage zu stellen“. Kurbjuweit seinerseits ist wie besoffen von der These, dass Edels Film den Mythos RAF zerstöre – ganz so, als könnte ein Spielfilm die Wahrheit erzählen. Die Schauspieler setzt er mit den Figuren gleich, nicht Brigitte Mohnhaupt steht bei ihm im Wohnzimmer Jürgen Pontos, sondern Nadja Uhl, und das liest sich dann so: „Sie schießt ihm aus kurzer Distanz in den Kopf, und ihre Augen sind so kalt, und abends füttert sie ihr Baby.“ Eichinger und Edel hätten „einen Film über Taten“ gemacht; indem sie die Morde der RAF aus nächster Nähe filmten, zeigten sie „die wichtigsten Bilder, und das sind die Bilder von den Taten“.

Erinnert sich noch jemand an „Der Untergang“ und all die Nazi-Morde, die man darin nicht sah?

CRISTINA NORD