: Hoffen auf eine humanitäre Lösung
Oranienburger Landrat will morgen allein erziehenden Vietnamesen abschieben. Der lebt seit zwei Monaten mit seinem Sohn im Kirchenasyl. Bürger planen Mahnwache vor Landratsamt. Innenminister Schönbohm hält sich zurück
Wenn es nach der Statistik ginge, könnten Xuan Khang Ha und sein fünfjähriger Sohn hoffen. Denn für Menschen, die zeitweise Asyl in einer evangelischen Gemeinde erhielten, fand sich in drei von vier Fällen doch noch eine humanitäre Lösung. Über das Schicksal des allein erziehenden vietnamesischen Asylbewerbers und früheren DDR-Vertragsarbeiters aus dem brandenburgischen Hennigsdorf entscheidet jedoch nicht die Statistik, sondern der Oranienburger Landrat Karl-Heinz Schröter (SPD).
Schröter will Vater und Sohn am Dienstag abschieben lassen. Dagegen wollen heute Bürger mit einer Mahnwache vor dem Landratsamt protestieren. Weil Xuan Khang Ha bei einer Rückkehr nach Vietnam aufgrund seiner politischen Tätigkeit in Exilorganisationen an Leib und Leben gefährdet wäre, gewährt ihm die evangelische Gemeinde in Schwante bei Oranienburg seit zwei Monaten Kirchenasyl. Es war die einzige Möglichkeit, dass der in Deutschland geborene fünfjährige Sohn Minh Duc bei seinem Vater leben kann.
Bei einem Besuch in der zuständigen Ausländerbehörde war Xuan Khang Ha Anfang September unvermittelt verhaftet worden. Erst durch eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts konnte seine Abschiebung verhindert werden, da die Richter eine Trennung von Vater und Sohn für unzumutbar hielten.
In früheren Kirchenasyl-Fällen in Brandenburg konnte Flüchtlingen mehrfach ein dauerhafter Aufenthalt ermöglicht werden. Allerdings warf der brandenburgische CDU-Vorsitzende und Innenminister Jörg Schönbohm der evangelischen Kirche in einer Kontroverse vor gut zwei Jahren vor, sich zu sehr um politische Fragen und zu wenig um die Verkündigung des Glaubens zu kümmern. Bischof Wolfgang Huber erwiderte, Kirchenasyl sei ein „Dienst am Rechtsstaat und keine Attacke gegen ihn“.
Im Fall des allein erziehenden Vietnamesen, in den sich dem Vernehmen nach mittlerweile selbst Bundespräsident Johannes Rau eingeschaltet hat, hielt sich Schönbohm bislang jedoch äußerst zurück. Sein Sprecher erklärte, die Entscheidung über eine Abschiebung sei allein Sache des Landrats. Schröter wiederum scheint hart bleiben zu wollen. Und so könnte die bereits um Amtshilfe gebetene Polizei das Kirchenasyl brechen.
Bislang gibt es in Brandenburg jedenfalls noch keine Regelung, wie sie die rheinische Kirche im vergangenen August im Saarland erreicht hatte. Flüchtlinge im Kirchenasyl gelten dort nicht mehr als untergetaucht. Für das Versprechen, die Behörden jeweils frühzeitig zu unterrichten, erhielt die Kirchenleitung die Zusage, dass kein Behördenvertreter mehr die Gemeinderäume betreten werde, in denen Flüchtlinge untergebracht sind.
Bundesweit ist die Zahl der Fälle, in denen evangelische oder katholische Gemeinden Flüchtlingen Schutz bieten, rückläufig. Die Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“ spricht von momentan rund 200 Menschen, die in etwa 50 Gemeinden Schutz gefunden hätten.
Den Grund für den Rückgang sieht Geschäftsführerin Beate Streiter nicht in nachlassendem Engagement. Vielmehr habe die harte Haltung mancher Landesregierungen, wie in Bayern oder Berlin, die Gemeinden „regelrecht ausgehungert“. Denn Kirchenasyle können dauern, manchmal sogar länger als vier Jahre. Und das bringt selbst die engagiertesten Helfer in den Kirchen an den Rand ihrer Kräfte.
EPD