: Deuteln an der Schuldfrage
Außer Spesen nichts gewesen: Die Schlichtungsverhandlungen für den öffentlichen Dienst sind gescheitert. Warum?
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) war extra nach Bremen gereist, um seine Kritik an den Schlichtern loszuwerden: Der ehemalige Bremer Bürgermeister Hans Koschnick und sein von den Arbeitgebern benanntes Leipziger Pendant Hinrich Lehmann-Grube (beide SPD) hätten sich mit ihrer „unausgewogenen“ Empfehlung weitgehend an die Gewerkschaftsforderung angelehnt. Koschnick hatte schon am frühen Morgen wissen lassen, das sei kein Wunder – schließlich hätten die Arbeitgeber ihr Angebot erst so spät vorgelegt, dass man es gar nicht mehr habe einarbeiten können. Am Sonntagabend nämlich, als schon fünf Verhandlungstage im vornehmen Bremer Park Hotel durchgestanden waren. Für Schily kein Grund: „Dann hätte man die Verhandlungen eben fortsetzen müssen – oder mal eine Nacht durchverhandeln. Das habe ich auch schon gemacht.“ Ein Ratschlag, der ausgerechnet dem alten Vermittler-Fuchs Koschnick nicht neu sein dürfte. Ob Schily sich von anderen Schlichtern ein besseres, akzeptables Ergebnis erhofft hätte? „Das ist eine hypothetische Frage“, antwortete der Innenminister vieldeutig, und von Franz Josef Strauß habe er gelernt, solche Fragen nicht zu beantworten.
Nebenan, im Congress-Centrum, rauchten zur selben Zeit noch die Köpfe der Bundestarifkommission für den öffentlichen Dienst. Erst mit eineinviertelstündiger Verspätung wankte ein sichlich ermatteter Verdi-Chef Frank Bsirske vor die Presse und teilte mit, dass die Gewerkschaften den Schlichterspruch akzeptieren würden – wenn auch „mit Bauchschmerzen“. Er hob hervor, dass Koschnick als stimmberechtigter, von den Gewerkschaften bestellter Schlichter und sein von den Arbeitgebern berufener Kollege Lehmann-Grube ihren Schiedsspruch übereinstimmend gefasst hätten. Es sei einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik, dass eine Tarifpartei einen solchen einvernehmlich gefassten Spruch nicht akzeptiere.
So wird man wohl morgen in Potsdam wieder bei Null mit den Verhandlungen anfangen und aus Bremen in erster Linie die Rechnung des Park Hotels mitnehmen. Und die wird, trotz Entgegenkommens durch das Management, saftig ausfallen. Tagungsräume, Unterbringung und Verpflegung der Kommis-sionsmitglieder, Honorare der beiden Schlichter sowie technische Ausstattung müssen Gewerkschaften und öffentliche Arbeitgeber zu gleichen Teilen bezahlen. Insgesamt sollen die Kosten sich auf eine „sechsstellige Summe im unteren Bereich“ belaufen, meldet dpa. Unklar ist, ob die Tarifparteien auch für den Polizeischutz aufkommen müssen. Jan Kahlcke
siehe Seiten 1 und 3