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Neopop zitiert Farbfeldmalerei und weiß viel vom Heroismus der Moderne: Arbeiten von Tim Eitel in der Produzentengalerie Liga in Mitte
Die Bilder der aktuellen Ausstellung in der Galerie Liga sind nach Fotografien gemalt, und schon bei den Vorlagen beweist der Künstler, der auch der Fotograf ist, eine besondere Treffsicherheit. Tim Eitel findet die jungen Leute, die seine Gemälde bevölkern, jenseits der Medienbilder aus Magazinen und Daily Soaps. Und dabei sind sie doch so definitiv von heute, dass es eine Sensation ist. Wir kennen die modisch gekleideten, mädchenhaften Gestalten mit ihren großen schwarzen Handtaschen, wie sie mit dem Handy hantierten, von der Straße, vom Büro. Wir kennen sie aus den Clubs oder von den Vernissagen, wie sie zusammenstehen, sich unterhalten, vor einem zarten Karomuster, das ein Gemälde von Susanne Paesler zitieren könnte. Und weil sie uns so vertraut sind, wundern wir uns, wie Eitel mit so viel zeitgeistigem – allerdings aus beträchtlicher Distanz vorgebrachtem – Dokumentarismus so großes malerisches Gewicht in Anschlag bringen kann.
Freilich hat man in der zuletzt beobachteten Renaissance einer figürlichen Malkunst bislang keine so intellektuelle, unheroische Malerei gesehen, die trotzdem so viel vom Heroismus der Moderne weiß. Dabei verankert Tim Eitel seine scheinbar so einfachen Kompositionen mit ihren klar gegliederten, großen, sehr sauber aufgebrachten Farbflächen noch eine ganze Zeitschicht tiefer. Er passt die Rückenfigur der Romantik in einen Mondrian ein, indem er vor dem Bild und dessen Betrachter ein schwarzes Geländer sieht, von dem sich auf den ersten Blick nicht sagen lässt, ob es unrealistischerweise nicht doch Teil der malerischen Abstraktion ist. Und wenn er eine junge Frau in den leeren, lichtgleißenden Raum eines Edward Hopper plaziert, dann hält er die Gestik der Frau im schwarzen Kostümchen so unwahrscheinlich treffend fest, dass es eigentlich der Erinnerung an den ironischen Wahnwitz eines Carl Spitzweg bedarf, um Vergleichbares zu haben. Eitel beherrscht alle Nuancen und Details und hat damit stets das Antidot zur Hand, das seine Malerei vor dem Absturz in Prätention und Anekdoten bewahrt.
Mit seiner malerischen Raffinesse bekommt Eitel auch die kalte Größe des Industrial Design klein – indem er sie rundweg affirmiert. Ungeniert richtet er sich mit seinen Protagonisten in der zeitgenössischen Architektur ein und interpretiert ihre Glätte als eine urbane Gewandtheit, die auch sein Personal teilt, und die es zu begnadeten Museumsbesuchern macht. Wer betrachtete schon so relaxed das Bild im Bild, wie etwa die junge Dame in „Sailor Moon/Chibi“ den Comic eines angedeuteten, späten Lichtenstein? Eitel feiert denn auch in der zwölfteiligen Serie „Stadien“ das Oval der Tartanbahnen, das satte Grün des Rasens und die Amphitheaterarchitektur der Sitzreihen. Hier vor allem zeigt er, wie er seine Motive in der malerischen Abstraktion aufzuheben weiß: Neo Pop zitiert Farbfeldmalerei.
Dass Tim Eitel nun in der Galerie Liga ausstellt – nach den kurzen zwei Wochen vor Weihnachen, während deren seine Arbeiten anlässlich der Teilnahme am Internationalen Atelierprogramm in Bethanien zu sehen waren –, hat seine Bewandnis darin, dass der 1971 im württembergischen Leonberg geborene Maler an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig studiert. Er gehört zu den elf Studenten der dortigen Kunsthochschule, die auf eigene Kosten die Galerie Liga in Mitte eröffneten, um ihre Arbeit an zentraler Stelle zu präsentieren.
Fast alle zeigen Malerei, wobei sie sich auf eine fundierte handwerkliche Ausbildung stützen, die bei einigen von ihnen, etwa David Schnell, den Unterricht bei Neo Rauch nicht verleugnet. Schon jetzt macht einen Christian Ehrentraut, der Leiter der Galerie, auf Tom Fabrizius’ kleine Aquarelle im Büro aufmerksam. Fabrizius bestreitet die nächste Ausstellung. Seine Appetizer schauen vielversprechend aus. Man wird nicht nur Tim Eitel, man wird die Liga überhaupt im Auge behalten müssen.
BRIGITTE WERNEBURG
Bis 21. Januar, Tieckstr. 9, Mi.–Fr. 14–19, Sa. 11–17 Uhr