american pie : New York Giants zwischen Bitterkeit und Hoffnung
Öl für künftiges Feuer
Washington Mara ist 86 Jahre alt, aber der Besitzer des Football-Teams der New York Giants ist kein Mann, der gern in die Vergangenheit blickt. Viel mehr interessiert ihn die Zukunft. „Ich kann es kaum erwarten, dass die nächste Saison beginnt“, sagte Mara nach dem dramatischen Play-off-Aus bei den San Francisco 49ers, „denn ich denke, wir haben etwas, worauf wir aufbauen können und womit zu rechnen ist.“ Die bittere Niederlage, an der viele der Spieler wohl den Rest ihrer Karriere knabbern werden, tat der Klubchef voller Gelassenheit ab: „Wir hatten schon schlimmere und wir werden schlimmere haben.“
Kein einziges Wort verlor Mara über die Fehlentscheidung der Schiedsrichter, die der Mannschaft am Ende die Siegchance in San Francisco kostete. Damit befand er sich auf einer Linie mit Coach Jim Fassel, der den Profis bei der Verabschiedung in den Urlaub gar nicht gesagt hatte, dass der Oberschiedsrichter der National Football League (NFL) den gravierenden Fauxpas offiziell bestätigt hatte. „Gib den Spielern nie eine Entschuldigung dafür, dass sie nicht gewonnen haben“, lautet Fassels Devise. Die Nachricht sickerte trotzdem durch und sorgte noch für eine Steigerung der Schwermut in Giants-Kreisen. „Dass steigert die Übelkeit um eine Stufe“, meinte Quarterback Kerry Collins.
Nachdem das Field-Goal-Team in den letzten Sekunden beim Stande von 38:39 den Kick verpatzt hatte, warf Matt Allen einen Verzweiflungspass zu Guard Rich Seubert. Bevor dieser den Ball fangen und zum Touchdown tragen konnte, wurde er umgerissen – ein klares Foul. Die Schiedsrichter ahndeten jedoch nur, dass mit Tam Hopkins ein Spieler vorstürmte, der dazu nicht berechtigt war. Seubert war jedoch als potenzieller Passfänger angemeldet, bei den Giants vermutet man, dass die Referees dies schlicht vergessen hatten und deshalb die Partie für beendet erklärten. Eigentlich hätte es sich aufhebende Strafen für beide Seiten geben müssen und eine Wiederholung des Field-Goal-Versuchs aus 41 Yards – mutmaßlich der Spielgewinn für die Giants, auch wenn sie zuvor zwei wichtige Field Goals verpasst hatten.
Steve Mariucci, Coach der siegreichen 49ers, flüchtete sich in die bei solchen Fällen übliche Sprachregelung der Bevorteilten: „Auf Dauer gleicht sich so was aus.“ Dass dies nicht stimmt, würden jederzeit die Oakland Raiders bestätigen, die noch im Sommer unter Protest ein Treffen mit den Referees verließen. Sie mussten letzte Saison mitansehen, wie die New England Patriots zum Gewinn der Super Bowl eilten, nachdem sie Oakland nur durch einen Schiedsrichterirrtum bezwungen hatten. „Nun sitzt du da und schaust anderen Teams zu, von denen du denkst, dass du sie schlagen würdest“, grämt sich auch New Yorks Will Peterson.
Washington Mara ficht das alles nicht an. Er verweist auf das Jahr 1985, als die New York Giants unglücklich gegen Chicago ausschieden und im Jahr darauf die Super Bowl gewannen. „Ich fühle mich ziemlich genauso wie damals“, sagt der Teambesitzer. Sein Optimismus gründet sich darauf, dass die Giants sieben der letzten neun Saisonspiele in überzeugender Manier gewannen, und auch auf die ersten 40 Minuten der Partie in San Francisco, als New York 38:14 in Führung ging. Danach stellten die 49ers auf eine „No-Huddle“-Offensive um, Spielzug folgte auf Spielzug und die durch Verletzungen dezimierte Abwehrreihe der Gäste brach ein. „Eine Menge Teams haben erleichtert aufgeatmet, als wir verloren“, ist Tight End Dan Campbell überzeugt. „Wir müssen uns an das hier erinnern und es als Öl für das Feuer im nächsten Jahr benutzen“, sagt Michael Strahan. Ganz im Sinne des ehrwürdigen Washington Mara. MATTI LIESKE