: Militärs kapern Nigerias junge Demokratie
Der amtierende Präsident Obasanjo stellt sich im April erneut zur Wahl – gegen einen weiteren Exdiktator
BERLIN taz ■ Afrikas bevölkerungsreichstes Land bleibt im Griff einer alten Elite. Beide großen Parteien Nigerias haben diese Woche ehemalige Militärherrscher für die Präsidentschaftswahl am 19. April aufgestellt: Staatschef Olusegun Obasanjo (Diktator 1976–79) kandidiert für die regierende PDP (People’s Democratic Party), Exgeneral Muhammadu Buhari (Diktator 1984–85) für die ANPP (All Nigeria People’s Party).
Damit zerschlagen sich Hoffnungen, Nigeria könne dieses Jahr mit den zweiten Wahlen seit Ende der Militärherrschaft 1999 endlich einen Generationenwechsel in der Politik vollziehen. Bei den Wahlen von 1999, die auf den Tod von Diktator Sani Abacha folgten, war Obasanjo Kompromisskandidat: Die Generäle respektierten ihn als Kollegen, die Demokratiebewegung favorisierte ihn, weil er unter der Abacha-Diktatur im Gefängnis gesessen hatte. Außerdem gehört er Nigerias größter Ethnie an, dem Yoruba-Volk um die Metropole Lagos, die noch nie einen Präsidenten gestellt hatte.
Demokraten hofften damals, bei den Wahlen 2003 eine neue, unbelastete Generation an die Macht zu bringen. Dass daraus nun nichts wird, liegt an der Macht des Geldes in Nigerias Politik. Nigerias Parteien sind Zweckbündnisse zur Umwandlung von Reichtum in politischen Einfluss. Das meiste Geld im Lande ist in den Händen einer kleinen Elite konzentriert, die sich während der Militärdiktatur bereicherte, während die Mehrheit der 120 Millionen Einwohner in absoluter Armut lebt.
Gerade diese Elite hat nun auch Exdiktator Buhari auf die politische Bühne zurückgebracht. Unterstützt wird er von Ibrahim Babangida, Militärherrscher von 1985 bis 93 und seitdem einer der reichsten Männer des Landes. Anders als Obasanjo haben sich Babangida und Buhari nie von der Militärherrschaft distanziert; sie blockierten vielmehr Ermittlungen über ihre Amtszeiten. „In diesem Land kann man nicht einmal frühere Führer dazu kriegen, vor einer harmlosen Untersuchungskommission zu erscheinen, geschweige denn, sie für Menschenrechtsverletzungen vor Gericht stellen“, kommentiert die Zeitung Vanguard. „Anstatt uns um Verständnis und Verzeihung für ihre Untaten zu bitten, wollen sie zurückkommen und uns arme Bürger weiter bestrafen, als seien wir nicht schon genug gestraft.“
Mit der Konfrontation Obasanjo/Buhari fällt Nigeria außerdem in alte Bürgerkriegsmuster zurück. Der Wahlkampf dürfte die schwelenden ethnisch-religiösen Konflikte des Landes, die seit der Demokratisierung über 10.000 Tote gefordert haben, auf die Spitze treiben: Obasanjo ist Christ aus dem Südwesten, Buhari Muslim aus dem Norden. Buhari ist Favorit der Konservativen, die in Nordnigeria das islamische Scharia-Strafrecht durchgesetzt haben. Obasanjo muss dagegen den Süden hinter sich scharen und sich als Retter der Demokratie darstellen. Das wird nicht einfach sein. Nicht nur sind viele Yorubas von ihm enttäuscht. Die südöstlichen Igbos, die bis heute unter den Folgen ihrer 1970 von Obasanjo niedergeschlagenen Biafra-Sezession leiden, fühlen sich marginalisiert. Die mittelgroße Partei APGA (All Progressives Grand Alliance) hat den damaligen Biafra-Präsidenten Chukwuemeka Ojukwu zur Wahl aufgestellt.
Noch größer ist die Unruhe in den Ölfeldern des Nigerflussdeltas, dessen Bewohner auf Obasanjo wütend sind, seit dieser ein Gesetz blockierte, das den ölreichen Bundesstaaten größere Anteile an den nigerianischen Öleinnahmen gewährt hätte. Aktivisten der Region riefen im Dezember eine „Zukünftige Republik des Nigerdeltas“ (Frond) aus. Ihr Führer Festus Keyamo, ein bekannter Menschenrechtsanwalt, ist seitdem ohne Anklage in Haft. DOMINIC JOHNSON