Polizei schafft Fakten

Ermittlung ergibt: Beim Polizeisturm auf schlafende Gegner des G-8-Gipfels in Genua brachte die Einsatzleitung „Beweismittel“ selbst mit

ROM taz ■ Nun ist es offiziell: Italiens Ordnungshüter haben sich die „Beweise“ selbst gefertigt, die ihren brutalen Sturm auf die vom Genoa Social Forum während des G-8-Gipfels im Juli 2001 rechtfertigen sollten. 93 friedlich in einer Schule Schlafende waren damals erst verprügelt, dann verhaftet und schließlich wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung angezeigt worden; 62 trugen teils schwere Verletzungen davon. Jetzt bekannt gewordene Vernehmungsprotokolle der Staatsanwaltschaft Genua belegen endgültig, dass die Polizei sich nicht nur die zwei in der Schule „gefundenen“ Mollis selbst mitgebracht hatte, sondern dass auch der angebliche Messerangriff auf einen Beamten ein Fake war.

So räumt Polizeioffizier Pietro Troiani ein, es sei „eine Leichfertigkeit“ seinerseits gewesen, die Mollis in die Schule zu tragen. Und so äußert Francesco Gratteri, Chef der Zentralen Operativen Einsatzgruppe: „Die Episode des simulierten Messerstichs kann dazu gedient haben, den Gewaltexzess einiger Beamter zu rechtfertigen; ich denke, dass auch die Episode mit den Molotowcocktails in die Welt gesetzt wurde, um die Ereignisse in der Scuola Diaz zu rechtfertigen.“

So recht will dann aber doch keiner der vielen beim Sturm anwesenden Polizeichefs etwas von den Mollis gewusst haben. Ihre Aussagen zielen darauf ab, einzig einen Kommandeur der Bereitschaftspolizei schuldig erscheinen zu lassen. Dagegen spricht ein der Staatsanwaltschaft vorliegendes Video: Es zeigt die gesamte Riege der Polizeiführer im Hof der Schule, während sie die Plastiktüte mit den brisanten „Beweisen“ begutachten. Sehr fraglich und geschönt scheint deshalb die Version, es sei um nachträgliche Legitimierung einer aus dem Ruder gelaufenen Gewaltorgie gegangen. Die Tatsache, dass der am Einsatz gar nicht beteiligte Troiani samt Mollis zur Schule beordert wurde, spricht für eine andere Version: Von Anfang an verfügte Italiens Polizei – und nicht etwa ein einzelner ausgerasteter Dr. Seltsam – über ein präzises Drehbuch des Einsatzes, der darauf zielte, mit den 93 Schulinsassen zugleich das gesamte Genoa Social Forum zu kriminalisieren. MICHAEL BRAUN