piwik no script img

Archiv-Artikel

Muslime nehmen Christen Huckepack

So langsam wäre mal ein Moscheebesuch der Bremer Kirchenoberen in Demut und Dankbarkeit fällig. Wer hätte gedacht, dass die christliche Lehre sich im Fahrwasser der Konkurrenz wieder in die Bremer Schulen schleichen würde? „Biblische Geschichte“, der urbremische Formelkompromiss von Atheisten und Christen, war Jahre lang Streichposten Nummer eins, wenn ein paar Stunden fehlten. Nun ist das Fach zu neuen Ehren gelangt, um dumpfe Gerüchte von der „Bevorzugung“ der Muslime schon vorab zu entkräften.

Einwanderung paradox: Für die Muslime ist es tragikomisch, erst die lahmende Christenheit auf dem Buckel durchs Ziel zu schleppen, bevor sie selbst durch gehen können. Dennoch – unter dem Strich haben sie ein wichtiges Stück Gleichberechtigung erstritten. Jetzt steht ihnen noch die Macht des Faktischen entgegen: Bis man nach muslimischen LehrerInnen nicht mehr fahnden muss, wird wohl noch eine Generation vergehen. Ein Erfolg wird der Schulversuch übrigens auch für die Politik des Dialogs von Henning Scherf sein, der die Muslime einst an den Runden Tisch „geschickt“ hatte, um auch für den Staat akzeptable Lehr-Inhalte zu produzieren.

Die zweitbeste Lösung bleibt Islamkunde dennoch: Im Sinne der Gleichberechtigung hätte man besser die Säkularisierung vollendet und einheitlichen Ethikunterricht für alle eingeführt. Darin hätten Religionen – mit der gebotenen Distanz – Platz. Damit könnte man schon den Einwanderern von morgen Rechnung tragen – und der spirituellen Pluralisierung der Mehrheitsgesellschaft. Aber für eine derartige Entrümpelung der Bremer Verfassung gibt es leider keine Mehrheit. Jan Kahlcke