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Archiv-Artikel

Ver.di baut auf Barrikaden

In Berlin stehen alle Zeichen auf Urabstimmung und Streik. Während die Gewerkschaften nur über eine Übernahme des bundesweiten Tarifs verhandeln wollen, setzt der Senat auf eine Nullrunde

von UWE RADA

Während der Rest der Republik gebannt auf Potsdam blickte, beschäftigten sich die Tarifparteien des öffentlichen Dienstes in Berlin gestern ganz mit sich selbst. „Das Klima zwischen Senat und Gewerkschaften ist noch frostiger als draußen“, sagte der DGB-Landesvize Bernd Rissmann. „Ich habe keinen Zweifel, dass die Berliner Koalition einen Streik aushält“, hielt Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit dagegen.

Dass die Zeichen ganz auf Streik stehen, daran ließen die Gewerkschaften gestern keinen Zweifel. „Wir haben Innensenator Ehrhart Körting für heute 10 Uhr zu Verhandlungen eingeladen“, sagte der stellvertretende Ver.di-Landesvorsitzende Burkhardt Thiemann. „Wenn er nicht kommt“, so Thiemann, „ist es absehbar, dass man in Berlin einen Streik an mehreren Fronten hat.“

An den Barrikaden, auf die die Gewerkschafter von Ver.di, der GEW und der Gewerkschaft der Polizei steigen wollen, wird schon kräftig gebaut. „Die Stimmzettel für eine Urabstimmung“, sagte GdP-Chef Eberhard Schönberg, „sind bereits gedruckt.“ Und auch die Voraussetzungen für ein Scheitern der Verhandlungen sind geschaffen. „Das Einzige, worüber wir verhandeln“, betonte Ver.di-Vize Thiemann, „ist ein Anwendungstarifvertrag.“ Im Klartext: Die Gewerkschaft will einen Landesabschluss, der die Ergebnisse der bundesweiten Verhandlungen übernimmt. Um genau dieses zu verhindern, ist aber der Senat am Dienstag fristlos aus den kommunalen Arbeitgeberverbänden ausgetreten. Ein bundesweiter Abschluss von nur 2 Prozent, wiederholte Wowereit gestern, würde das Land in den nächsten drei Jahren 500 Millionen Euro zusätzlich kosten.

Entsprechend sieht die Verhandlungsposition des Senats aus. Mehr als eine Nullrunde ist für Innensenator Körting nicht machbar, sagte gestern eine Sprecherin. Allerdings lasse sich darüber hinaus über Arbeitszeitverkürzungen und eine Erweiterung der Urlaubstage reden. Offenbar gibt es über die Verhandlungsführung im Senat aber noch Uneinigkeit. Im Gegensatz zu Körting erinnerte Wowereit noch einmal daran, dass das ursprüngliche Ziel des Senats nicht in einer Nullrunde, sondern in Einsparungen beim öffentlichen Dienst in Höhe von 250 Millionen Euro in diesem und 500 Millionen Euro in den folgenden Jahren bestand. Dies war auch Gegenstand der bereits im letzten Jahr gescheiterten Solidarpaktverhandlungen.

Sollten die Verhandlungen scheitern, kann auch ohne Schlichtung mit der Urabstimmung begonnen werden. Streikberechtigt wären etwa 70.000 Beschäftigte in den Senatsverwaltungen oder Bezirksämtern. Für die BSR und die BVG, die noch Mitglied bei den kommunalen Arbeitgebern sind, gelten die bundesweiten Tarifergebnisse. Sie wären allerdings streikberechtigt, wenn es in Potsdam zu keiner Einigung kommt.