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Archiv-Artikel

Neue Arbeit ist nicht in Sicht

Die Wirkung der rot-grünen Reformen ist begrenzt: Durch das Programm „Kapital für Arbeit“ sind bisher nur rund 300 neue Jobs geschaffen worden

von HANNES KOCH

Niedergeschlagenheit will Wolfgang Clement erst gar nicht aufkommen lassen. Seit seinem Amtsantritt als Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit kämpft er gegen Frust und Krisenstimmung. Steht er auf dem Podium, findet er Sätze wie diese: „Wir haben die Neigung, alles Elend dieser Welt auf uns zu laden“, und: „In der Selbstkritik sind wir die Besten.“

Clement predigt Optimismus. Immer und immer wieder. Auch gestern, als die Arbeitsamtsstatistik für Dezember 2002 mit 4,225 Millionen Erwerbslosen einen Fünfjahresrekord verzeichnete. Minijobs, Ich-AG, Personalservice-Agenturen – abermals ließ Clement das Stakkato der Reformgesetze Revue passieren, das er in den atemlosen drei Monaten hingelegt hat, seit Bundeskanzler Schröder ihn nach Berlin holte. Und der Ex-Ministerpräsident aus Düsseldorf beschied: „Ich hoffe sehr, dass all diese und weitere Schritte unser Land schon bald wieder auf einen stärkeren Wachstumspfad führen.“

Optimismus ist die eine Sache, die Lage die andere. 10,1 Prozent Erwerbslose – ein Anstieg um 200.000 Jobsucher im Vergleich zum November. Kaum Wachstum, sondern eher Stagnation in 2003, möglicherweise Deflation – das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat gerade davor gewarnt, dass Deutschland sich mit der japanischen Krankheit infiziert, die das fernöstliche Land seit über zehn Jahren im Griff hält. Die ökonomische Situation unter Rot-Grün ist ähnlich angespannt wie in Helmut Kohls Arbeitslosen-Winter 1997, als mehr als fünf Millionen Menschen eine Stelle suchten.

Und vieles davon spielt sich im unmittelbaren Verantwortungsbereich dessen ab, der als Superminister für Arbeit und Wirtschaft die zweitstärkste Position im Bundeskabinett nach Bundeskanzler Gerhard Schröder innehat: Wolfgang Clement. Gewiss ist es richtig, dass Schröders Neuerwerbung bislang wenig mehr tun konnte, als Pflöcke einzuschlagen und erste Reformen auf den Weg zu bringen. Wobei Clement durchaus Erfolge verzeichnet. Seiner ernsthaften, hartnäckigen und zugleich zugänglichen Art ist es zu verdanken, dass die Union ihre Blockade gegen die Regierungspolitik aufgegeben hat. Betont unideologisch verhandelte Clement so lange über die Neugestaltung der Leiharbeit, bis auch Unions-Fraktionschef Friedrich Merz nicht mehr Nein sagte.

Mehrmals allerdings ist der Wirtschaftsminister mit derartiger Verve an die Sachen herangegangen, dass ihm die großen Versprechungen durchaus schaden könnten. Denn nicht immer mag die Realität seinen Ankündigungen gerecht werden. Die Hoffnung auf neue Arbeitsplätze erfüllt sich bei weitem nicht so schnell, wie der Chef es gerne hätte. Und teilweise funktionieren die Dinge auch nicht so richtig, die er anschiebt.

Da ist zum Beispiel ein Programm mit dem werbegängigen Titel „Kapital für Arbeit“. Entstanden aus den Vorschlägen des Arbeitsmarkt-Reformers Peter Hartz dient es dazu, Unternehmen mit billigen Krediten zu versorgen, sofern sie Arbeitslose einstellen. Das Projekt erfreue sich „großen Interesses“, so Clement am 23. November des vergangenen Jahres. Bei der öffentlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) lägen schon einige tausend Anfragen vor, sodass „auch auf diesem Wege neue, zusätzliche Arbeitsplätze entstehen werden“. Stimmt: Bislang sind es „über 300“, wie die KfW mitteilt. In Anbetracht der Tatsache, dass das Programm erst zum 1. November gestartet sei, hält KfW-Sprecherin Verena Tobeck das für „ein gutes Ergebnis“.

Bis zu den 50.000 neuen Stellen, die Wolfgang Clement innerhalb eines Jahres erwartet hatte, ist es freilich noch eine gewisse Wegstrecke. Setzt sich die gegenwärtige Geschwindigkeit fort, wird „Kapital für Arbeit“ bis Ende 2003 vielleicht 5.000 Menschen eine reguläre Stelle verschafft haben.

Ob sich aus derartigen Zahlen Erfolgsmeldungen machen lassen, muss man sehen. Auch bei den so genannten Personal-Service-Agenturen sieht es so aus, als bliebe die Regierung zunächst einmal weit unter dem selbst gesteckten Ziel. Die Agenturen, ein zentrales Projekt der Hartz-Reformen, sollen Arbeitslose als Leiharbeiter in die Wirtschaft vermitteln. War zunächst von 300.000 neuen Jobs die Rede, wurde die Zahl über die Jahreswende hinweg kleingekocht. Nun peilt die Bundesanstalt für Arbeit noch 50.000 zusätzliche Arbeitsplätze an.

Nach ersten Kratzern an Clements Lack könnte es nicht lange dauern, bis weitere folgen. Der Minister geht ein hohes Risiko ein, wenn er die baldige „Trendwende am Arbeitsmarkt“ und den Rückgang der durchschnittlichen Arbeitslosenzahl „auf unter vier Millionen“ prophezeit. Konjunkturexperte Gustav-Adolf Horn vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung hält die Prognose von Clement dagegen für völlig unrealistisch. „Dafür müsste es einen kräftigen Konjunkturaufschwung geben, und der ist beim besten Willen nicht in Sicht“, so Horn. Stattdessen wird für Februar erst mal mit dem Anstieg der Erwerbslosenzahl auf 4,5 Millionen gerechnet.