: Fördern statt aussondern
Korrektur im Schulgesetz: Mangelndes Deutsch soll doch kein Rückstellungsgrund bei Einschulungen sein. Ab 2004 werden alle Viereinhalbjährigen untersucht
Das obige Beispiel von Gülay und Deniz Özal ist ein subjektiv geschilderter Einzelfall. Es gibt kein Gesetz, das „perfektes Deutsch“ zur Voraussetzung für den Schulbesuch erhebt. Aber in der Tat gab es Pläne der CDU-FDP-Schill-Koalition, Migrantenkinder, die nicht ausreichend Deutsch sprechen, zurückzustellen.
Nach Auskunft der für Grundschulen zuständigen Oberschulrätin Birgit Schaefer ist das inzwischen allerdings nicht mehr geplant. „Förderung gehört in die Vorschule und in die Grundschule. Wir wollen die Kinder nicht aussondern“, sagte Schaefer zur taz. So werde auch der entsprechende Paragraf 38 des neuen Schulgesetzes wieder geändert. Der Entwurf sah bislang vor, dass Kinder allein wegen mangelnder Deutschkenntnisse ein Jahre später eingeschult werden können. Schaefer: „In wenigen Fällen, wenn das Kind kein Deutsch spricht und auch geistige und körperliche Entwicklung nicht ausreichend sind, kann eine Rückstellung sinnvoll sein.“ Es sei aber keinesfalls geplant, die seit Jahren gesunkene Quote von zurückgestellten Kindern wieder zu erhöhen.
Schaefer berichtet von gegenwärtig vier Maßnahmen:
– Ab 2004 sollen alle Kinder mit viereinhalb Jahren in der Schule vorgestellt werden. So wolle man die drei bis fünf Prozent der Kinder erfassen, die weder in einer Kita noch in der Vorschule oder bei einer Tagesmutter sind. Geplant sei kein Testverfahren, sondern eine Betrachtung des „Allgemeinzustands“ des Kindes, sagt Schaefer, bei dem neben der körperlichen, geistigen und seelischen Entwicklung auch der Sprachstand erhoben werde – mit dem Ziel, das Kind „für die Schule fit zu machen“.
– Bereits seit Oktober sind an 28 Kitas Grundschullehrer abgeordnet, die dort zweimal wöchentlich gemeinsam mit ErzieherInnen zwei Stunden Sprachförderung betreiben. Ziel sei eine Verzahnung von Kita und Schule. Es ginge nicht darum, einzelne Kinder zu melden. Noch ist offen, ob das Projekt weitergeht.
– Im Rahmen eines Pilotprojekts unter wissenschaftlicher Begleitung wird an einer „Sprachstandserhebung“ in Vorschulklassen gearbeitet. Schaefer betont, dass sie kein „Test“ sei. Die Kinder sollen Bildergeschichten auf Tonband sprechen. Schaefer: „Das Ganze ist nicht defizitorientiert. Es geht darum zu ermitteln, was kann das Kinder in der deutschen und was in der Herkunftssprache?“ Auf dieser Grundlage werde nicht über eine Rückstellung, sondern über nötige präventive Fördermaßnahmen entschieden. Diese „Sprachstandserhebung“ soll ab 2004 flächendeckend durchgeführt werden.
– Zusätzlich gibt es an Kitas ein Pilotprojekt zu der Frage, wie bilingual aufwachsende Kinder optimal gefördert werden.
Noch nicht geklärt, so die Schulrätin, sei die Frage, ob es in dem künftigen System Berichte über Kinder geben wird. Es sei aber schon sinnvoll, Informationen über den Förderprozess von einer Institution zur anderen weiterzugeben. KAJ