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Archiv-Artikel

„Der Papst ist immer ein gutes Argument“

Politologe Franz Walter zur Kriegsskepsis der Konservativen und der Haltung ihrer Partei: „Die CDU kann lavieren, ohne dass es groß auffällt“

taz: Herr Walter, wo steht die Union im Irakkonflikt?

Franz Walter: Die Führung der Union übt sich in transatlantischen Solidaritätsbekundungen. Doch darunter, also bei Mitgliedern und einfachen Funktionären, gibt es Strömungen, die in die entgegengesetzte Richtung streben. Das können Sie besonders gut an den Leserbriefspalten von Welt und FAZ ablesen. Da artikulieren dann Herr oder Frau Doktor Soundso ihre oft erstaunlich unverblümte Ablehnung eines Kriegs gegen den Irak.

Was unterscheidet den konservativen vom rot-grünen Kriegsgegner?

Die Linke ist immer noch von den Überresten einer Imperialismuskritik aus den 60er-Jahren beeinflusst, daher spielt auch das Öl-Argument eine prominente Rolle. Im älteren Bildungsbürgertum konservativer Prägung herrscht oft eine kulturalistisch grundierte Skepsis gegenüber Amerika, ein tief sitzender Vorbehalt gegen die Cowboys ohne Niveau. Zum Zweiten reicht in der Union ja das kulturelle Gedächtnis weiter zurück. Die CDU ist immer noch die Partei der Alten, da sind nicht nur die zerstörten deutschen Städte präsenter, sondern man hat noch von den eigenen Eltern die gesellschaftlichen Verwerfungen in Erinnerung, die bereits der Erste Weltkrieg hinterlassen hat. Die Folge ist eine wertegebundene, oft konfessionell begründete Ablehnung von Krieg.

Der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler fordert jetzt von seinen Unions-Kollegen: „Ihr müsst entscheiden, ob der Bush Recht hat oder der Papst.“

Gauweiler ist zwar ein Außenseiter in der Bundestagsfraktion, aber er will natürlich nicht als exzentrisch dastehen. Er beruft sich also auf die Großautorität des Katholizismus, das kann ihm in einer C-Partei kaum als parteischädigend ausgelegt werden.

Ist das mehr als ein taktisches Argument?

In der CDU ist der Papst immer ein gutes Argument. Er spricht nicht nur die Traditionsklientel an, sondern gilt gleichzeitig vielen Jungen als einer der letzten Kapitalismus- und Globalisierungsskeptiker aus dem Establishment. Für den Katholizismus ist das ein Stückchen Hoffnung, und davon hatten Katholiken in den letzten Jahren nicht so viel. Außerdem müssen Sie sich mal anhören, was Pfarrer in den westfälischen, rheinischen, badischen Provinzen zurzeit so predigen. Wir als Menschen in der Postmoderne ignorieren das gerne, aber in der CDU spielt deren Kriegskritik eine große Rolle.

Wieso kann es sich die Unionsführung leisten, die Skepsis der Basis zu ignorieren?

Die Union muss sich verhalten, wie sie sich verhält. Das entspricht zumindest dem Selbstbild ihrer Eliten. Immer wenn es unpopulär war, von der Wiederbewaffnung bis zum Nato-Doppelbeschluss, hat die CDU fest zur Westbindung gestanden, während die Sozialdemokraten aus Unionssicht von der Geschichte wiederlegt wurden. Angela Merkel hat sich diese Sicht der Parteigeschichte zu eigen gemacht, obwohl sie nicht Teil davon ist.

Warum war die Westbindung früher weniger umstritten?

Weil das Bündnis mit Amerika vor 1989 der Kriegsvermeidung galt und weil der schlimmere Feind im Osten stand.

Wo steht also die Union in der Irakfrage?

Die Union vermeidet jede soldatische Schärfe, wirft aber gleichzeitig Fischer und Schröder Wankelmut vor. Damit spannt sie in ihren Reihen den Bogen von den Atlantikern zu den Kriegsskeptikern. Und wenn es zum Krieg kommt, ist das ein Problem der Regierung, nicht der Opposition. Die CDU kann lavieren, ohne dass es groß auffällt.

INTERVIEW: PATRIK SCHWARZ