Flaue Schatten

Unbezwingbar und gemütlich: Tanja Dückers und Steffen Jacobs lesen im Gymnasium Klosterschule Lyrik und Prosa

Deutsche Lyrik ist nicht totzukriegen. Noch immer gibt es Verleger, die Reflexionen in Versen veröffentlichen. Noch immer liegen Goethe-Gedichte dekorativ in den Buchläden, und noch immer reisen deutsche Dichter auf Lese-Tourneen auf der Suche nach einer Zuhörerschaft durchs Land.

Eine Fliege reist mit Tanja Dückers und Steffen Jacobs, die in Hamburg jetzt im Gymnasium Klosterschule lesen. Sie sitzt auf Dückers‘ vor zwei Jahren erschienenem Lyrikband Luftpost. Vor blauem Himmel signalisiert sie: Keine Gefahr! Wie die Autorin, die zwischen Berlin und Barcelona pendelt, sind Dückers‘ Verse ständig in Bewegung und hinterlassen Eindrücke wechselvoller Stimmungen und vorbeiziehender Orte: „Ich vergesse Dinge, die ich nie vergessen wollte.“

Dückers schreibt jugendlich, aber gemächlich im Tempo – gemäß der „Generation Golf“, der sie sich auf ihrer Homepage zuordnet. Grüblerisch ist sie nur, wenn ihr der Alltag Anlass dazu gibt: „Meine Schritte von gestern / sehen auf dem staubigen Boden / genauso aus wie die von heute“. Das ist Neoromantik in einer Zeit, in der Städte „pulsieren“, für Leute, die dreimal im Jahr verreisen und „Vinaigrette“ statt „Salatsoße“ sagen.

Ohne Bruch steht sie in der Tradition der goetheschen Italienreisen („Genitalien Genitalien Geh nach Italien“ heißt es in Die Androgynen), auch wenn sie den Umweg über Spanien wählt: „ich habe es geschafft / ich bin angekommen / im ereignislosen Schatten / schwacher Wind vom Rand des Zentrums“.

Was bei Tanja Dückers die Fliege ist, ist für Steffen Jacobs der der Aktienwelt entlehnte Titel seines neuesten Gedichtbands: Angebot freundlicher Übernahme. Seine börsentauglichen Verse sind jedoch mit Vorsicht zu genießen. Denn vor zwei Jahren sorgte der Junglyriker als „Dr. Stephan Jacob auf lyrischer Visite“ für Furore, indem er namhaften Dichtern rüpelhaft, aber versiert und mit Witz auf den Zahn fühlte. Was freundlich daherkommt, könnte sich als kritisch oder klamaukig entpuppen.

Stilistisch dürften sich Dückers und Jacobs ergänzen und einen unterhaltsamen Leseabend versprechen. Zugleich postulieren ihre Gedichte eine gewisse Gemütlichkeit, in der sich die deutsche Lyrik einzurichten gedenkt. Motto: Alles wird gut.

Christian T. Schön

Lesung: 19.30 Uhr, Gymnasium Klosterschule, Westphalensweg 7 – Tanja Dückers: Luftpost, Tropen Verlag 2001, 12,80 Euro. – Steffen Jacobs: Angebot freundlicher Übernahme, Haffmanns bei Zweitausendeins 2002, 16,90 Euro