Scharfmacher vor

Französische Nationalversammlung debattiert eine Verschärfung des Gesetzes über innere Sicherheit

PARIS taz ■ In den beiden Kammern von Frankreichs Parlament wetteifern die Volksvertreter mit Vorschlägen zur Verschärfung eines „Gesetzes über die innere Sicherheit“. Nachdem es schon bei der ersten Lesung im Senat 18 zusätzliche Artikel verpasst bekam – darunter den Straftatbestand: „Verunglimpfung der Fahne“ –, haben von heute an die Abgeordneten der Nationalversammlung Gelegenheit zum Verschärfen.

An Vorschlägen mangelt es nicht. Unter anderem soll die Polizei von der Verpflichtung befreit werden, Verhaftete über ihr Schweigerecht aufzuklären. In Erwägung ist auch ein zwangsweiser HIV-Test für Vergewaltigungsverdächtige.

Wenig Gehör finden die Kritiker des Gesetzes von Innenminister Nicolas Sarkozy. Zu den Demonstrationen in mehreren Provinzstädten und in Paris, die Richter- und Anwältegewerkschaften, Menschenrechtsvereinigungen, die Antirassismusgruppe MRAP und linke Parteien organisierten, kamen nur ein paar tausend. Sie prangerten an, die rechte Regierung habe ein Gesetz vorgelegt, das demokratische Freiheiten einschränke, „Repression statt Prävention“ propagiere und sich „gegen die Armen statt gegen die Armut“ richte. „Le Pen hat davon geträumt, Sarkozy setzt es um“ war auf einem Spruchband zu lesen.

Sarkozys Gesetzentwurf, der nach der Senatsdebatte aus 75 Artikeln besteht, ist die Umsetzung des zentralen Wahlversprechens der Rechten. Angesichts einer laut Statistik gestiegenen Kriminalität hatte Jacques Chirac von einem „Grundrecht auf Sicherheit“ gesprochen. Und „zero impunité“ – null Straffreiheit – versprochen.

Innenminister Sarkozy hat in seinem Gesetz mehrere neue Straftatbestände erfunden. Dazu gehört die „aggressive Bettelei“ – etwa mit Hunden. Dazu gehört das Campieren ohne Genehmigung, was Fahrensleute praktizieren. Auch die aktive und passive Anmache auf der Straße, womit Prostituierte gemeint sind, die durch Kleidung und Benehmen auf sich aufmerksam machen. Jugendliche, die in Gruppen in Hauseingängen und auf Treppenabsätzen in den Wohnsilos der Vorstädte herumlungern, riskieren nach dem Gesetz, das noch vor dem Sommer in Kraft treten soll, harte Sanktionen. Sarkozys Strafregister reicht von Geldbußen bis zu Gefängnisaufenthalten und Abschiebungen. Vor allem ausländische Prostituierte ohne Papiere wird Letzteres treffen.

Die Kritiker haben nur eine wesentliche Änderung des Gesetzes bewirkt: Der Straftatbestand „Hausbesetzung“ ist verschwunden. Nachdem der populäre Armenpriester Abbé Pierre erklärte, die Regierung täte besser daran, den Obdachlosen und Hausbesetzern „Arbeit und Wohnung zu besorgen, statt sie wegen ihrer Armut zu bestrafen“, machte Sarkozy einen Rückzieher. DOROTHEA HAHN