gestern im amtsgericht
: Die Gaunereien eines Gemischtwarenhändlers

Vom Baron zum Betrüger

Der Eingangsmonolog des Staatsanwalts dauerte eine halbe Stunde: Exakt 53 Straftaten waren es, mit denen Jörn Hauschild den 56-jährigen Elektroingenieur Kurt Wolfgang H. gestern im Bremer Amtsgericht konfrontierte. Die Anklage lautete auf Betrug, Vorspiegelung falscher Tatsachen und Urkundenfälschung. Obwohl er zahlungsunfähig war und bereits den Offenbarungseid hatte leisten müssen, mietete H. Anfang 2000 in der Bahnhofstraße Geschäftsräume an und bestellte massenhaft Verkaufsware.

Das krude Sammelsurium, das sich H. ergaunert haben soll, ließ Richter Hans Ahlers von einem „Gemischtwarenladen“ sprechen: Der Pleitier hatte Boxershorts und Strings, Parfüm und Kosmetika, Ledertaschen, Sonnenbrillen, Krawatten und Handys in rauhen Mengen geordert – bezahlt wurde mit ungedeckten Schecks oder gar nicht. Doch damit nicht genug: Mitte 2001 „erwarb“ er auch noch einen Gutshof bei Gnarrenburg für 240.000 Mark und gab großspurig Renovierungsarbeiten in Auftrag. Unterzeichnet hat H. seine Bestellungen mit diversen Alias-Namen: Mal griff er zum frankophonen Fréderic Mendes, mal zu einem blaublütig-seriösen Kurt H. Baron Graf von Heyen.

Der Angeklagte, ein schmächtiger, graugesichtiger Mann, quälte sich mühsam durch den ersten Verhandlungstag. Er habe erst am Wochenende „einen Magendurchbruch“ gehabt, klagte er, zudem sei er herzkrank und müsse ständig Tabletten nehmen.

Anstatt jedoch den Massenbetrug einzuräumen, versuchte H. die Schöffenkammer mit haarsträubenden Geschichten für sich einzunehmen. Da erzählte er von einer Lebensversicherung seiner verstorbenen Frau, die unter mysteriösen Umständen verschwunden sei, von PKK-Anhängern, die sich abends in seinem Laden herumgetrieben haben sollen und von der Sparkasse Bremen, die ihm einen dicken Kredit zugesagt, aber nie überwiesen habe.

Nach einer Stunde platzte Richter Hans Ahlers der Kragen: „Ich habe den Eindruck, Sie reden sich gerade um Kopf und Kragen“, hielt er H. vor und riet ihm dringend an, sich noch einmal mit seiner Verteidigerin zu beraten. Nach einem Kantinengeflüster aller Prozessbeteiligten in der Pause deutete der Richter an, wie ein Urteil aussehen könnte: Sollte der falsche Baron geständig sein, könnte er mit einer Freiheitsstrafe von maximal zwei Jahren und sechs Monaten davonkommen. Aufgrund seines miserablen Gesundheitszustands halte er es zudem für unwahrscheinlich, dass H. haftfähig sei. jox

Der Prozess wird am Dienstag um 9 Uhr in Raum 451 fortgesetzt