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Archiv-Artikel

Trauer ums Ende

Auf der Bundesarbeitstagung der Friedhofsgärtner in Bremen diskutieren bis heute rund 120 Grabpfleger über die Probleme der Zunft. Denn gut geht es den Friedhofsgärtnern nicht (mehr)

Von bow
„Man ist ja nicht nur Gärtner“, sagt Josef Knostmann, sondern „fast auch Seelsorger“

taz ■ Mit Sorgenfalten sind sie nach Bremen gekommen: 120 Friedhofsgärtner aus ganz Deutschland. Immer mehr Trauerflor verdunkelt derzeit ihre wirtschaftliche Lage. Anonyme Bestattungen und Urnengräber brauchen wenig bis gar keine Gärtner. Und solange Feuer- billiger sind als Erdbestattungen, bleiben ihre Aussichten duster.

Bis heute wollen die Gärtner deshalb auf ihrer Bundesarbeitstagung in Bremen nach Auswegen aus dem Dilemma suchen. Dabei könnte das Friedhofsgärtnerdasein eigentlich rosig schön sein. „Man ist ja nicht nur Gärtner“, sagt Josef Knostmann, sondern „fast auch Seelsorger.“ Schließlich geht es nicht nur um Grabpflege, sondern auch um die Gestaltung der Trauerfeier, um Einfühlungsvermögen für die Trauernden.

Knostmann ist Delegierter aus dem westfälischen Schwerte. Dort wie überall war die Friedhofswelt jahrzehntelang in bester Ordnung. „Ein Grab wurde auf 30 Jahre gekauft. Und die Familie hatte man dann lange, lange Zeit in seiner Kundschaft“, sagt der Gärtner traurig. Das ging auch lange, lange gut. Bis sich neue Trends auf den Grabfeldern breit machten. Vorbei nun die Zeiten der großen Gruften. Statt nebeneinander, wie es sich mal gehörte, lassen sich die Eheleute heute übereinander bestatten – das ist billiger.

Und vorbei auch die Zeiten mit Blumenpflanzverträgen über 30 Jahre. Mit Apfelblüten im Frühjahr und Iris im Herbst. Statt dessen machen sich anonyme Bestattungen breit, an denen die Profis mit dem grünen Daumen und Ohr für die Trauernden nicht mehr viel verdienen.

Schlimm ist das, klagt auch Dirk Gertzmann aus Vechta, der Vorsitzende des Bundes Deutscher Friedhofsgärtner. „Anonyme Bestattung oder ähnliches - das ist für mich eine Wegwerfgesellschaft. Wenn sich die Angehörigen nicht mehr um einen kümmern.“

Doch es kommt noch schlimmer: Urnen. Sie sind so etwas wie eine Provokation für das altehrwürdige Friedhofswesen. Urnen sind nämlich noch billig und brauchen nicht viel Platz. Im Zweifel kriegen sie ein paar Kubikzentimeter in einem Kolumbarium eingeräumt, wie jüngst auf dem Riensberger Friedhof eins geschaffen wurde.

„Kolumbarien sind für uns das Schlimmste“, echauffiert sich Kurt Mächtle. „Eine Betonwand, einfach die Urne reingestellt und dann passiert nichts mehr. Man hat keine Arbeit mehr, man muss nichts mehr pflanzen.“ Auch wenn – wie in Nordrhein-Westfalen – die Verwandschaft die Asche mit nach Hause nehmen darf, gehen die Gärtner leer aus.

„Angehörige brauchen einen festen Ort zum Trauern“, sagt Gertzmann. Sonst könne sich die liebe Verwandtschaft am Ende nicht über die Asche einigen. Streit sei da vorprogrammiert. Und: Spätestens, wenn der Halter der Urne stirbt, wanderten die sterblichen Reste möglicherweise in den Sperrmüll.

In Bremen geht es den Gärtnern deshalb ums Grundsätzliche. Ums Überleben. Sie beklagen den „Verfall der Friedshofskultur“, fordern eine Rückkehr zur guten alten Erdbestattung (mit entsprechendem Blumenschmuck). Beispiele aus Köln machen schnell die Runde. Dort sind Urnengräber inzwischen genauso teuer wie die Bestattung mit Sarg. Siehe da: Die Rheinländer wollen ihre Verwandten plötzlich lieber wieder der Erde übergeben.

Seither haben auch die Kölner Friedhofsgärtner wieder mehr zu tun. Eine Änderung der Friedhofssatzung und der Gebührenordnung steht darum ganz oben auf der Wunschliste der Gärtner. Während die Gärtner es bei der Bestattungsart gern traditionell hätten, fordern sie auf der anderen Seite neue Formen für die Begräbnisse.

Gertzmann spricht vom überfälligen „Tabubruch“ aus dem viel zu engen kirchlichen „Korsett“. Warum soll man nicht mal Herbert Grönemeyer bei der Aussegnungsfeier hören? Da sei „ein Trauerlied schöner als das andere.“

Oder Luftballons steigen lassen, wie jüngst auf dem Begräbnis eines Motorradfahrers in Hannover. Auch beim Blumenschmuck („Gestecke in Trendfarben“) sehen die Gärtner noch Marketing-Chancen, wie am Dienstag bei einem Referat über die „floralen Dienstleister mit Zukunft“ deutlich wurde.

Und überhaupt lautet der Apell: Statt von Laienhand notdürftig bepflanzt, sollte man lieber Fachmänner die Grabflächen parkähnlich modellieren lassen. „Wir versuchen uns da schon abzuheben“, sagt der schwäbische Delegierte Kurt Mächtle. Je nach Sonneneinstrahlung, Untergrund und Wasser werde anders gepflanzt, werden kleine Hügelchen geschaffen und auf Wunsch sogar Bäche aus Blumen angelegt. „Damit jeder, der durch den Friedhof läuft, sieht: Das muss ein Fachmann angepflanzt haben.“ bow