zahl der woche
: Kritiker des neuen Preissystems wollen sich von Mehdorn nicht mundtot machen lassen

Die Bahn gewinnt – und verliert

Was kostet es in Deutschland, einen mächtigen Gegner öffentlich zu kritisieren? Für Karl-Peter Naumann könnte es künftig teuer werden. 250.000 Euro muss sein Verband Pro Bahn bezahlen, wenn er die in der Bild-Zeitung abgedruckte Äußerung „jeder zweite Kunde zahlt zu viel für sein Ticket“ wiederholt. Das hat am Dienstag das Landgericht Hamburg per einstweiliger Verfügung entschieden. Viel Geld für einen gemeinnützigen Verein, der sich bisher aus Mitgliedsbeiträgen finanziert.

Bei Pro Bahn will man sich nicht einschüchtern lassen. „Wir sind auf die Wiederholung dieser Äußerung nicht angewiesen“, so Vorstandsmitglied Rainer Engel. Kritikpunkte gebe es genug. Neben den Klagen über verspätete Züge und schlechte Auskunft am Schalter gebe es auch Unmut über die hohen Stornogebüren. 30 Euro kostet ein am Reisevortag zurückgegebenes Ticket. Der Verein will jetzt notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht gehen, um den mächtigen Gegner zu einer öffentlichen Gegendarstellung zu zwingen.

Der Verein steht mit seiner Kritik an der Bahn AG nicht allein da. Zunehmend mischt auch die Politik mit. „Die Bahn will wie ein privates Unternehmen behandelt werden, dann muss sie sich auch so verhalten“, sagte gestern der parlamentarische Staatssekretär Berninger (Grüne) dem Tagesspiegel. Er bekräftigte damit eine Forderung, die Ministerin Renate Künast schon vergangene Woche erhoben hatte. Die Bahn müsse endlich klare Geschäftsbedingungen herausgeben, um Kunden einen rechtlichen Anspruch auf Schadenersatz zu ermöglichen. Das Verbraucherschutzministerium ärgert vor allem, dass sich die Bahn jegliche Einmischung verbeten hat. Schließlich erhalte diese nicht nur steuerlich erhebliche Vergünstigungen.

Die zunehmende Kritik trifft Bahnchef Mehdorn an einem empfindlichen Punkt. In dieser Woche fand nämlich noch ein zweites Gerichtsverfahren statt. Die Bahn wurde verpflichtet, in ihre Online- und Telefonauskunft einen Hinweis auf seinen größten privaten Konkurrenten Connex aufzunehmen. Für den Kunden ein großer Schritt in Richtung Transparenz.

Das kann nicht schaden, denn immer mehr nutzen als Alternative das Auto. Um fünf Prozent sank in den ersten neun Monaten des Jahres 2002 dem Statistischen Bundesamt zufolge die Zahl der Kunden im Fernverkehr gegenüber denen Vorjahr. Das dürfte nicht nur für die Bahn, sondern auch für die Umwelt schmerzlich gewesen sein. INA KÖHLER