: Das Dritte Fußball-Reich
Vergangenheitsbewältigung steht nun auch beim Fußball auf dem Spielplan: „Hakenkreuz und rundes Leder“ zeigt die Laufwege der DFB-Mitglieder im Nationalsozialismus – und danach
VON ASCAN DIEFFENBACH
Die DFB-Auswahl hob im Dritten Reich den rechten Arm und der Verband ließ sich nach dem „Führerprinzip“ gleichschalten. Ein Fakt, der bei den Funktionären in Frankfurt lange ausgeblendet wurde. Nachdem 2005 im Auftrag des DFB das häufig wegen seines zu konservativen Ansatzes kritisierte Buch „Fußball unterm Hakenkreuz“ von Nils Havemann erschienen ist, wird jetzt nachgelegt.
„Hakenkreuz und rundes Leder“ heißt das neueste Werk zur deutschen Fußballgeschichte. Die Herausgeber sind Sportwissenschaftler Lorenz Pfeiffer und Fußballhistoriker Dietrich Schulze-Marmeling. Sie stellten das 606 Seiten umfassende Buch gestern an exponierter Stelle vor: im Wuseum. Mit dabei: Willi Lemke, Werder-Aufsichtsratsvorsitzender und Sportbeauftragter der UN. „Ein Fußballstadion ist schon ein außergewöhnlicher Ort für eine Buchvorstellung“, so Lemke. Dabei ist das Werk genau dort richtig: Es geht um Fußball, Geschichte und Verantwortung, der sich der Fußball mehr und mehr stellt.
Deutlich wird dies durch Bücher wie „Hakenkreuz und rundes Leder“. Die Verbands-Gleichschaltung wird darin ebenso thematisiert wie Einzelpersonen: Sepp Herberger war nicht nur Bundes-, sondern auch Reichstrainer. Er gehört ebenso in das Buch wie der damalige Präsident des FC St. Pauli und NSDAP-Mitglied Wilhelm Koch oder Schalke 04 als Dauermeister des Dritten Reiches. Es geht auch um Opfer wie Nationalspieler Julius Hirsch, der von den Nazis ermordet wurde. Anders als bei Havemann machen die Autoren nicht bei 1945 halt. Sie lassen beispielsweise nicht aus, dass Peco Bauwens, DFB-Präsident des Jahres 1954, nach dem WM-Sieg der Öffentlichkeit sein nationalistisches Weltbild aufdrängte: Er bezeichnete die neuen Weltmeister in einer Rede als „Repräsentanz besten Deutschtums im Ausland“ und freute sich, dass dem missgünstigen Ausland „die Quittung gegeben wurde“. Die Süddeutsche Zeitung sprach daraufhin von einer Sieg-Heil-Rede.
Seitdem hat sich viel getan. Es kamen neue Vorsitzende und der Sprachgebrauch änderte sich, aber bis man sich der Verantwortung zur Aufarbeitung der Vergangenheit stellte, vergingen viele Weltmeisterschaften. Ganz am Ziel angekommen sei man noch nicht, erklärt Schulze-Marmeling: „Warum hat es nach 1945 so lange gedauert, bis man sich mit der Vergangenheit beschäftigte?“ Einen wichtigen Einschnitt seitens des DFB sieht er in der Übernahme des Präsidentenamtes durch Theo Zwanziger. „Heute nimmt das Ganze Ausmaße an, die man sich vor einigen Jahren noch nicht vorstellen konnte“, erklärt der Historiker. Zwanziger hat es aber noch nicht geschafft, den Verband komplett auf den Kopf zu stellen. Noch heute findet man auf der DFB-Homepage bei der chronologischen Darstellung der Verbandsgeschichte nichts zum Dritten Reich. Einzig die Tatsache, dass der DFB nach dem zweiten Weltkrieg wiedergegründet wurde, findet Erwähnung. Klaus Koltzenburg von der DFB-Pressestelle räumt ein, dass dies geändert werden muss: „Wir bieten hier nur einen kurzen Abriss der Geschichte an und sind dabei, die DFB-Geschichte auch in längeren Abschnitten im Internet zu veröffentlichen.“
Handlungsbedarf sieht auch Werder-Präsident Klaus-Dieter Fischer. Für ihn ist der wichtige Schritt des Lernens aus der Vergangenheit noch nicht vollzogen: „Es gibt noch kein einheitliches Stadionverbot für rechtsradikale Kleidung. Das ist ein Bereich, in dem Vereine noch viel mehr machen müssen.“
Lorenz Pfeiffer/ Dietrich Schulze-Marmeling (Hg): Hakenkreuz und rundes Leder, 606 Seiten, 39,90 Euro