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Archiv-Artikel

Erfolgreich abgeschreckt

BIK-Studie zum Kita-Bedarf fragwürdig: 6000 Eltern erklärten, ihnen wäre ein Kita-Platz zu teuer. Sie wurden aber nur gefragt, ob sie Höchstbetrag zahlen. Sozialer Bedarf für Kita-Plätze wurde seit 1999 von 8000 auf 4000 halbiert

von KAIJA KUTTER

Man muss nur richtig fragen, dann kommen auch die richtigen Ergebnisse zu Tage. Diesen Eindruck vermittelt die Lektüre der BIK-Studie, die im Herbst 2002 für Bildungssenator Rudolf Lange (FDP) den Bedarf an Kita-Plätzen ermitteln sollte. Es fehlten nur noch 13.000 Plätze, um den Bedarf in Hamburg zu decken, hatte sich Lange bei der Veröffentlichung im Herbst gefreut. Die von der Opposition „an die Wand gemalte Versorgungslücke von fast 17.000 Plätzen“ sei viel geringer als prophezeit.

Nicht mitgezählt hat Lange dabei 6000 Eltern, die zwar einen Kita-Platz bräuchten, aber nicht bereit sind, die Kita-Gebühr zu zahlen. Die Art und Weise, wie diese Eltern befragt wurden, sei „höchst problematisch“, kritisiert nun der SPD-Politiker Thomas Böwer. Wurde den Eltern bei der Befragung doch nur der Maximalbeitrag genannt. Dieser liegt bei einem 8-Stunden-Platz bei 383 Euro und bei einem 6-Stunden-Platz bei 307 Euro. Je nach Einkommen und Familiengröße sinkt dieser Betrag in 49 Stufen bis zum Mindestanteil von 38 beziehungsweise 30 Euro.

Die Firma „BIK-Umfrageforschung“ führte ihre Telefonumfrage mit rund 5000 Eltern nach einem 81Punkte umfassenden Leitfaden durch. Darin kommen die Fragen nach dem Einkommen erst nach der oben erwähnten Abschreckungsfrage. Die ablehnenden Eltern durften angeben, wieviel sie für einen Kita-Platz zu zahlen bereit wären. Erst nach dem Telefonat wurde aufgrund der Gehaltsangaben die reale Gebühr errechnet. Lag diese über dem Preis, den die Eltern zahlen würden, wurden sie ohne Rückfrage herausgerechnet. „Da wo es wichtig wird, fangen sie an zu daddeln“, kritisiert Böwer.

Die tatsächliche Kita-Gebühr könne wegen der „Komplexität“ des Beitragssystems am Telefon nicht ermittelt werden, entschuldigt sich BIK in dem Bericht. Die „Abschätzung der Zahlungsbereitschaft“, so räumt man ein, sei „methodisch problematisch“, da eine Telefonbefragung nicht der „realen Entscheidungsfindung in einer Familie“ entspreche.

Ebenso problematisch zeigt sich bei näherer Betrachtung die Behauptung Langes, BIK habe einen Überhang an Ganztagsplätzen und einen höheren Bedarf an Tagesmüttern und 6-Stunden-Plätzen ergeben. Denn BIK legte die neuen Regeln des Kita-Gutscheinsystems zugrunde, die beispielsweise einer Mutter, die nur an 2 Tagen arbeitet, den Kita-Platz verwehrt und statt dessen nur die Tagesmutter zubilligt. Pädagogische Bedürfnisse der Kinder nach regelmäßigem Kontakt mit anderen Kindern spielen dabei keine Rolle.

Aufschlussreich ist auch die Bemessung des sozialen Bedarfs. Gab es hier bei der Vorgängerstudie von 1999 noch knapp 8000 Kinder, melden die Bezirke im Sommer 2002 nur noch rund 4000, die aus sozialen Gründen einen Kita-Platz haben. Die Platzvergabe wurde hier also schon im Vorwege des Kita-Gutscheinsystems verschärft, in dem nur noch „dringende“ Fälle anerkannt werden. Dies macht den Übergang zum rein auf Berufstätigkeit ausgerichteten Kita-Gutscheinsystem reibungsloser.