: Ausbruch aus dem Salon
Es riecht nach Öl in der Stadt: Das gut abgestimmte Frankfurter Ausstellungsdoppel „Lieber Maler, male mir …“ und „deutschemalereizweitausenddrei“ liefert angestrengte Thesen und frische Malerei
von MAGDALENA KRÖNER
Das ist doch mal eine willkommene Neuigkeit zum Jahresauftakt: Die Maler sind zurück! Die zwei wichtigsten Events zur neuen Freude finden gegenwärtig in Frankfurt am Main statt, dem jahrelang von der Kunstszene geschmähten Geldmekka, das so beharrlich am Charme der 80er festhält und nach Jahren des Stillstandes eben wieder eine vitale Kunstszene zu entwickeln beginnt. Vielleicht ist der Ort also symbolisch für die gezeigte Malerei: Der König ist tot, es lebe der König!
Die Spielmeister Max Hollein und Nicolaus Schafhausen beriefen, wohl kalkuliert, gemeinsam einen großen Oil-on-Canvas-Schaukampf ein. Dazu orakelte der deutsche Generationenbeauftragte Florian Illies bereits im Vorfeld: „Es könnte historisch werden.“
In der Schirn sucht „Lieber Maler, male mir …“ die Annäherung an die zeitgenössische Malerei tatsächlich im historischen Blick zurück, in dem man Francis Picabia zum Spiritus Rector der realistischen Malerei der Nachkriegszeit kürt. „Schaut, er hat nur so getan, als ob, und alle haben es ihm nachgemacht“, ruft man. Zum Beweis zeigt man Picabias feiste Nackte aus den 40er-Jahren, entstanden nach Vorbilden aus Herrenmagazinen, von Kuratorin Blaženka Perica ironiesicher auf fleischfarbene Tapete gehängt. Bei dieser Facette aus dem überbordenden Werk des 1953 gestorbenen Franzosen bleibt es jedoch. Keine Spur etwa von den wunderschönen, ineinander geschobenen Doppelbildern, um nur ein Beispiel aus dem Parcours der Stile zu nennen, den Picabia, seiner Zeit stets voraus, in rasendem Tempo absolvierte.
Die Neigung zu Trash, Ironie und Zitat – so die These – eigne jedoch ebenso der aktuellen Malerei, die kaum mehr ein Originales behaupten wolle, sich gleichwohl aber großer Lust am Figurativen erfreue. Von hier aus schaut man zunächst auf die, die sich so nachhaltig von Picabia inspirieren ließen und zweifellos der deutschen Malerei das Lachen beigebracht haben: Sigmar Polke und Martin Kippenberger.
Doch alles, was dann kommt, ist schon Teil des Ausstellungsproblems: So schlüssig die Genealogie von Picabia über Polke zu Kippenberger ist, so wenig lässt sich ihr Weiterdrehen bis in die aktuellste Malereiproduktion hinein nachvollziehen. Für die jungen und jüngsten Maler spielen längst andere Strategien eine Rolle. Immer wieder ist der Tod der realistischen Malerei ausgerufen worden, immer wieder haben ganz verschiedene Impulse wie der Punk in den 80ern oder die Fotografie in den 90ern zu ihrer Neubelebung geführt.
In der Schirn wird eine Kontinuität behauptet, die sich im strammen Marsch in die Gegenwart konsequent selbst zerlegt: Was etwa verbindet die coolen Partybilder eines Alex Katz mit der skrupulösen Genauigkeit eines Malers wie Luc Tuymans? Und lässt sich nicht die als Gemeinsamkeit behauptete Ironie in den Bildern von Elizabeth Peyton oder Peter Doig nur schwerlich erkennen? Gänzlich unschlüssig bleibt in diesem Zusammenhang auch die Rolle des jüngst vom Markt rehabilitierten Bernard Buffet.
Die Ausstellung nimmt sich selbst die Luft in der Verkürzung auf Kitsch und Travestie, wie in den Porträts erfundener Operndiven von Kurt Kauper oder den grotesken Figuren von John Currin. Diese Malerei takelt sich auf und sprüht sich mit billigem Parfüm ein. Die These implodiert. Und weg ist sie.
Was hier als „radikal“, als Reflex aufs Restaurative versprochen wird, lässt sich tatsächlich auf der anderen Seite, bei „deutschemalereizweitausenddrei“ im Kunstverein einlösen. Symptomatisch für die hier entfachte Brandstiftung im Salon sind dabei Katharina Grosses dräuende Farbschwaden, die im Treppenhaus wie Ruß an die Decke schlagen. Nicolaus Schafhausen, in der Vergangenheit eher ein Tipp für konzeptuelle Orientierung wie in der gelungenen Ausstellungsreihe zu „Heimat“ im letzten Jahr, feiert die Malerei.
Dafür hat er ins Volle gegriffen und eine Fülle von Namen versammelt, die der angestrengten Schirn-Behauptung des „radikalen Realismus“ die verschiedensten formalen Ansätze und inhaltlichen Schauplätze entgegensetzt. Bevor man aber nun wieder mal neue „Junge Wilde“ ausruft, lohnt sich der genaue Blick, auch wenn manches Mal drangvolle Enge herrscht, die hart an die Grenze des visuellen Overkills führt.
Hier geht es wild zu und analytisch, es geht ums Echte und die Kopie, um Agitprop und Privatissima, Zynismus und kindliche Regression. Neue Stars wie die in der Schirn vertretene Sophie von Hellermann oder Neo Rauch sucht man hier vergebens, findet dafür aber eine Fülle von Namen, die man im Moment noch ein wenig zurückhaltend raunt, wie etwa Tomma Abts, Yesim Akdeniz Graf, Sergej Jensen, Hendrik Kraven.
Dabei entpuppt sich die Lust an der Malerei als Experiment, das von vielen Künstlern bewusst temporär verstanden wird und nicht als Lebensaufgabe. Statt Authentizität inszeniert man Bad Painting und Trash, stellt Gemeinplätze des Pop neben die elitäre Behauptung der Avantgarde, Fotorealismus neben Graffiti.
Was in all der Fülle leicht übersehen werden kann: Setzen Schafhausen und sein Kokurator René Zechlin zunächst auf die spontane Geste, die Rupprecht Mathies mit seinem malerischen Wortreigen auf assoziative Formeln verkürzt, entpuppt sich eben diese Spontaneität als wohl durchdachtes Konzept. So stellen Carsten Focks Filzstiftzeichnungen in stümperhaftem Schüler-Gestus Fragen nach ideologischer Vereinnahmung und veralteten Erwartungen an den Maler. „Revolte als Pose“ liest man da und ein paar krakelige Supermänner fliegen umher. In Andreas Hofers amüsanter Genrecollage entpuppt sich das künstlerische „Wonder Master Mind“ als Alien.
Was die Künstler hier leisten, ist die Reflexion auf das Medium mit den Mitteln des Mediums. „Deutschemalereizweitausenddrei“ ist eine gelungene Momentaufnahme ohne allzu hohen Ewigkeitswert. Nicht mehr und nicht weniger. Schließlich steht der nächste Tod der Malerei schon bald wieder vor der Tür.
„Lieber Maler, male mir …“, Schirn Kunsthalle noch bis 6. April, „deutschemalereizweitausenddrei“ im Kunstverein noch bis 13. April. Kataloge20 beziehungsweise 25 €