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Archiv-Artikel

Der Druck der Straße wächst

Trotz Friedensverhandlungen eskaliert der Konflikt in der Elfenbeinküste. Aufgrund grenzüberschreitender Konflikte fürchtet die UNO um ihre Mission in Sierra Leone

BERLIN taz ■ Während von den hinter verschlossenen Türen laufenden Friedensverhandlungen für die Elfenbeinküste in Frankreich wenig nach draußen dringt, wächst im Land der Druck der Straße. Die Rebellenbewegung MPCI (Patriotische Bewegung der Elfenbeinküste), die die Nordhälfte des Landes kontrolliert, ruft für heute zu einer Großdemonstration in der Hauptstadt Abidjan auf. In den Nationalfarben Orange, Weiß und Grün gekleidet, „um unsere Liebe zu unserem gemeinsamen Vaterland zu beweisen“, sollen „alle ivorischen Demokraten“ zu einem „gigantischen Marsch der Unterstützung für die Freiheitskämpfer“ vom Zentrum Abidjans Richtung Flughafen marschieren.

Sollte tatsächlich jemand dem Aufruf folgen, ist ein Blutbad programmiert. Verteidigungsminister Bertin Gahé Kadet sagte gegenüber AFP: „Wenn die MPCI-Leute in Abidjan marschieren, schicke ich das Militär hinterher und vergase sie.“ Am Montag hatte die MPCI behauptet, der Führer ihrer Sektion in Abidjan, Ange Félix Kouassi, sei am Sonntagabend von der Gendarmerie entführt und an einen unbekannten Ort gebracht worden – wie nahezu 200 Oppositionelle in der Stadt seit Beginn des Bürgerkrieges im September.

Am vergangenen Wochenende hatten in Abidjan und in der MPCI-Hauptstadt Bouaké jeweils Zehntausende für ihre jeweiligen Machthaber demonstriert. Die Rebellen verlangen als Ergebnis der Friedensgespräche in Frankreich den Rücktritt Präsident Gbagbos und die Einsetzung einer Übergangsregierung, die eine neue Verfassung und neue Wahlen organisieren soll.

Während die Gespräche im Sportzentrum von Marcoussis am kommenden Freitag beendet werden sollen, erscheint dies immer unwahrscheinlicher. Vielmehr schälen sich ivorischen Presseberichten zufolge Modalitäten heraus, politische Reformen dadurch abzusichern, dass der Präsident einen Großteil seiner Befugnisse zugunsten eines starken Premierministers verliert. Letzterer müsste dann für alle Seiten konsensfähig sein.

Ob solche Beschlüsse ausreichen, um die Elfenbeinküste zu befrieden, erscheint unwahrscheinlich. Vielmehr mehren sich Anzeichen, dass vor allem im Westen des Landes an der Grenze zu Liberia der Konflikt außer Kontrolle gerät. Liberias Regierung warf am Montag den Regierungstruppen der Elfenbeinküste vor, die Grenze überschritten und mit liberianischen Rebellen das Grenzdorf Beam besetzt zu haben.

In Liberia kämpft die von Guinea unterstützte Rebellenbewegung Lurd (Liberians United for Reconciliation and Democracy) gegen die Regierung von Präsident Charles Taylor. Taylor war ein Freund des Exmilitärherrschers der Elfenbeinküste, Robert Guei, der zu Beginn des ivorischen Krieges umgebracht wurde und dessen Anhänger jetzt im Westen des Landes gegen die Regierung kämpfen. Sie erhalten angeblich Unterstützung von Milizionären aus Liberia und früheren Rebellenkämpfern aus Sierra Leone unter Führung von Sam Bockarie, einstiger Militärchef der sierra-leonischen Rebellenbewegung RUF (Revolutionäre Vereinigte Front).

Diese grenzüberschreitenden Verwicklungen machen der UNO Sorge, die in Sierra Leone die größte UN-Blauhelmmission der Welt unterhält. UN-Generalsekretär Kofi Annan warnte, eine Eskalation der Krise in der Elfenbeinküste könnte die Erfolge der UNO in Sierra Leone zunichte machen. Ohnehin steigen dort die Spannungen: Der ehemalige Militärherrscher Johnny Paul Koroma, ein Verbündeter der RUF, entzog sich am Wochenende seiner Verhaftung in der Hauptstadt Freetown durch Flucht. Nun machen Gerüchte über neue Putschvorbereitungen die Runde. DOMINIC JOHNSON