Viel Kritik, kaum Lob, eine Klage

Wegen der Genehmigung des Kohlekraftwerks Moorburg will der BUND den Europäischen Gerichtshof einschalten und Energieversorger Eon bietet eine Zusammenarbeit beim Klimaschutz an

Das Oberlandesgericht Hamburg hat das Urteil gegen die Anti-Vattenfall-Aktivistin Hanna Poddig in Revision aufgehoben. Die 22-Jährige von der Kampagne „Hamburg steigt um“ war im April dieses Jahres vom Amtsgericht Hamburg-Altona zu 15 Tagessätzen verurteilt worden, da sie einen „Tschüß Vattenfall“-Aufkleber auf ein SPD-Wahlplakat geklebt hatte. Das Gericht rügt nun, dass der Hauptbelastungszeuge der Polizei nicht bei der Verhandlung erschienen sei. Außerdem sei nicht geklärt, ob sich der Aufkleber vom Plakat wieder hätte ablösen lassen. In diesem Fall läge keine Sachbeschädigung vor. Die „geschädigte“ SPD hatte sich explizit gegen eine Strafverfolgung ausgesprochen. Das Verfahren geht nun zurück an das Amtsgericht. Ein anderer Richter soll dort darüber befinden, ob das Gericht der Entscheidung des Oberlandesgerichtes folgt. RORI

Von Marco Carini

Der Hamburger Genehmigungsbescheid für Moorburg gerät in eine juristische Zangenbewegung. Während es als wahrscheinlich gilt, dass Vattenfall die wasserrechtlichen Auflagen der Bewilligung vor Gericht anfechten wird, hat sich der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) gestern auf eine Klage gegen die Betriebserlaubnis festgelegt, die bis vor den Europäischen Gerichtshof führen soll.

Der Bundesvorsitzende Hubert Weiger erklärte, durch die Betriebsgenehmigung für das Kohlekraftwerk werde der „Klimaschutz auf dem Altar der Wirtschaftspolitik geopfert“ und „die Glaubwürdigkeit der grünen Umweltpolitik gefährdet“. Dass eine grüne Senatorin nun Deutschlands größtes Steinkohlekraftwerk genehmige, sei „ein fatales Signal“. Lob gab es hingegen für die strengen wasserrechtlichen Auflagen, bei denen „die Behörde stellenweise hervorragende Arbeit geleistet“ habe, so dass die Grünen hier „einen Teil ihrer Glaubwürdigkeit gerettet“ hätten.

Weiger begrüßte auch Hajduks Ankündigung, in Konkurrenz zu Vattenfall einen kommunalen Energieversorger zu gründen, der umweltfreundlichen Strom vertreiben soll. Gleichzeitig forderte er den schwarz-grünen Senat auf, über eine Bundesratsinitiative die bundesweiten Rechtsgrundlagen für Kohlekraftwerke in Frage zu stellen. Da es derzeit für jedes geplante Kohlekraftwerk einen juristischen „Genehmigungsanspruch“ und damit einen „Rechtsanspruch auf Klimaänderung“ gäbe, sei eine Gesetzesnovelle von Nöten.

Mit seiner Klage will der BUND möglichst schnell vor den Europäischen Gerichtshof ziehen, da die wasserrechtliche Genehmigung gegen eine Richtlinie der EU verstoße. Diese Auffassung vertritt auch Hajduk, die sich bei der Genehmigungserteilung aber dem hamburgischen Oberverwaltungsgericht fügen musste, das in einer vorläufigen Einschätzung zu einem anderen Ergebnis kam. Hamburgs BUND-Chef Manfred Braasch geht davon aus, „dass auch Vattenfall klagen“ werde. Mit den Auflagen sei Moorburg „nicht rentabel zu betreiben“.

Der Konzern erklärte, dass aufgrund der erteilten Genehmigung die Bauarbeiten fortgesetzt würden. Eine Bewertung sei erst möglich, nachdem der 746 Seiten umfassende Bescheid „in den nächsten Tagen eingehend analysiert“ worden sei.

Kritik an der Moorburg-Genehmigung gab es auch von anderen Umweltverbänden. Robin-Wood-Energiereferent Dirk Seifert betont, mit dem Bau von Moorburg seien „Hamburgs Klimaschutzziele hinfällig.“ Der GAL warf er vor, sie würde „sich verbiegen lassen, nur um weiter in der Koalition mitspielen zu dürfen“. Karsten Smid von Greenpeace warf Hajduk vor, „vor Vattenfalls Drohung mit Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe eingeknickt“ zu sein. Durch Moorburg werde „die Klimabilanz Hamburgs für Jahrzehnte belastet“.

Der Hamburger Geschäftsführer des Naturschutzbundes (Nabu), Stephan Zirpel, sieht „die GAL durch Ole von Beust verkohlt“. Umweltsenatorin Hajduk müsse nun „die Genehmigung des klimaschädlichen Kraftwerks rechtfertigen“, für die der frühere CDU-Senat schon vor der Wahl die Weichen gestellt habe. Trotz der wasserrechtlichen Auflagen sei Moorburg eine Katastrophe nicht nur für den Klimaschutz, sondern auch für die Elbe, da der „Fischbestand gravierend geschädigt“ werde.

Der Energieversorger Eon Hanse hat dem Senat unterdessen eine Zusammenarbeit beim Klimaschutz angeboten. Hajduk hatte angekündigt, dass die Stadt das Gasnetz in eigene Regie übernehmen wolle. Dafür hatte Eon Hanse erst im Februar dieses Jahres vom damaligen CDU-Senat einen Konzessionsvertrag erhalten. Er läuft bis Ende 2018, kann aber schon vier Jahre früher vorzeitig gekündigt werden.

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